Erstes Geständnis im PDS-Prozeß

Wolfgang Pohl, einer der drei Angeklagten im Berliner Verfahren um die Verschiebung von 107Millionen Mark aus dem PDS-Vermögen, will sich aber nicht der „Untreue“ schuldig gemacht haben  ■ Aus Berlin Martinus Schmidt

Auf diesen Tag hatte der Vorsitzende Richter Hansgeorg Bräutigam lange gewartet. Nach monatelangem Hin und Her, ausgedehnten Verhandlungstagen ohne eigentliche Aufhellung durch Dutzende von Zeugen kam der Hauptangeklagte im Berliner Prozeß um die Verschiebung von 107 Millionen Mark aus dem PDS- Vermögen, Wolfgang Pohl, am Donnerstag endlich zur Sache. Er ist der erste der drei Angeklagten, der sich zur Aussage entschlossen hat.

Pohl gab gestern zu, die Wegüberweisung der 107 Millionen Mark im Spätsommer 1990 veranlaßt zu haben. Zusammen mit dem Finanzchef der PDS, Wolfgang Langnitschke, sei es ihm darum gegangen, der Partei, der das Wasser bis zum Halse stand, einen Teil ihrer Gelder zu sichern. Von Untreue könne aber, so Pohl, keine Rede sein. Im Gegenteil: „Wenn wir es nicht getan hätten, das wäre Untreue gewesen.“

Nach dem Februar 1990, als in der SED-Nachfolgepartei erstmals Befürchtungen aufkamen, sie könnte verboten oder enteignet werden, rechnete die PDS mit dem Schlimmsten. Das galt erst recht nach einer Blitz-Sitzung der neugewählten Volkskammer am 31. Mai 1990, als die PDS bereits Opposition war. Am 31.Mai beschloß die Volkskammer in einer Nachtsitzung — Pohl spricht von „Nacht- und Nebelaktion“ — nach zwei kurzen Lesungen die Änderung des Parteiengesetzes, das dem Staat praktisch eine Kontrolle über die Vermögen aller Parteien sicherte.

Einen Wink hatte es am 21. Dezember 1989 gegeben. Damals beschloß die SED-PDS, wie sie sich in der Übergangsphase nannte, zur Sicherung des Vermögens eine Kommission einzusetzen, die geeignete Möglichkeiten finden sollte, die „politische Handlungsfähigkeit der Partei“ materiell zu sichern. Die Strategie der Partei sei es gewesen, so Pohl, Vermögenswerte abzugeben, deren juristische Herkunft nicht eindeutig geklärt werden konnte, der Erneuerung der Partei widersprechen könnte oder deren Aufrechterhaltung zu teuer wurde. Abgegeben worden seien etwa die SED-Bezirkszeitungen, die sich zum Teil schon für unabhängig erklärt hatten. Trotzdem seien die dann schon unabhängigen Zeitungen noch bis zum 1.April 1990 gestützt worden.

Pohl lacht etwas bitter, als er von Chefredakteuren spricht, die er noch eingesetzt habe und die heute noch im Amt seien. Bis Mitte 1990 habe die PDS 50 Prozent ihres Vermögens an den Staatshaushalt oder die Kommunen abgegeben. Nach Aussagen Pohls hatten sich über 90 Prozent der Druckereien in der DDR in SED-Besitz befunden. Fast 700 Millionen Mark pro Jahr habe die Partei durch Mitgliedsbeiträge eingenommen.

Karlheinz Kaufmann, der dritte der Angeklagten, sei deshalb in die Geschichte verwickelt, weil er als Parteichef im Saalkreis ihm, Pohl, den Vorschlag gemacht habe, 107 Millionen Mark wegzuüberweisen. Zu Kaufmann hatte der damalige Partei-Vizechef Pohl vollstes Vertrauen. Das Geld sei bei ihm sicher gewesen, doch hatte die Partei jederzeit Zugriff darauf.

Details der Transaktionen kümmerten Pohl indes nicht. Die Verschiebung der Millionen zwischen Berlin, Bocholt, Utrecht und Oslo seien ihm verborgen geblieben. Fast kleinlaut das Eingeständnis: „Nach ersten Schritten in der Marktwirtschaft kann ich heute sagen: Blöder als wir hätte es keiner machen können.“ Besonders der politische Schaden sei unermeßlich gewesen.