Berliner Bahnplanung steckt im Tunnel fest

■ Bonn und Berlin streiten sich seit Monaten um das richtige Eisenbahnkonzept für Berlin. Achsenkreuz an der Lehrter Straße, Tunnel unter der Friedrichstraße, Ringmodell oder Kopfbahnhöfe?...

Berliner Bahnplanung steckt im Tunnel fest Bonn und Berlin streiten sich seit Monaten um das richtige Eisenbahnkonzept für Berlin. Achsenkreuz an der Lehrter Straße, Tunnel unter der Friedrichstraße, Ringmodell oder Kopfbahnhöfe? Kosten gehen in die Milliarden, und wer bezahlt, bestimmt, was entsteht

Der seit Monaten schwelende Streit um den Ausbau des Eisenbahnnetzes ist festgefahren. Zwar fordert der Senat nach wie vor einen Umsteigebahnhof an der Lehrter Straße mit einem Nord-Süd- Tunnel, aber Bonn hält genauso beharrlich dagegen. Heute findet ein erneutes »Chefgespräch« zwischen Verkehrssenator Herwig Haase und Bundesverkehrsminister Günther Krause (beide CDU) statt. Dabei muß dringend etwas geschehen, denn das Eisenbahnnetz in Berlin ist noch auf dem Stand der fünfziger Jahre.

Der Berliner Senat favorisiert das sogenannte Achsenkreuz mit einem Tunnel unter dem geplanten Regierungsviertel am Spreebogen (siehe unten). Dazu kommen weitere Tunnel für eine U- und S-Bahn sowie ein Autotunnel. Das alles schien, Protesten von Umweltschützern zum Trotz, schon beschlossene Sache. Doch Anfang diesen Jahres stellte sich heraus: Die Bundesregierung ist entschieden dagegen.

Der Tunnelbau, so der Haupteinwand der Bundesregierung, verzögere und behindere den Ausbau des darüberliegenden Regierungsviertels. Einen Zentralbahnhof in der Nähe — den Bonn sich offenbar wie eine überdimensionale Ausgabe des Bahnhofs Zoo vorstellt — möchte man sowieso nicht haben. Der Vorschlag des Bundes war, den Verkehrsknotenpunkt an den Bahnhof Friedrichstraße zu legen. »Da kann man unabhängig davon das Regierungsviertel bauen und später, vielleicht im Jahre 2010, den Bahnhof«, meint der SPD-Bundestagsabgeordnete Peter Conradi. Für einen Tunnel unter dem Spreebogen hingegen müßte man sich wegen des Ausbaus des Regierungsviertels sofort entscheiden. Das Bundesverkehrsministerium gab schon einmal ein Gutachten in Auftrag, die technische Machbarkeit des Friedrichstraßentunnels zu prüfen.

An die glaubt im Berliner Senat niemand. Denn ein Tunnel, der bis zu 40 Meter tief im Spreeschlamm auf Pfählen gebaut würde, der sich darüber hinaus unter einer bestehenden U- und S-Bahn-Linie auf acht Gleise auffächerte, dazu unter Deutschlands teuerstem Baugrund, wo im Unglücksfall immense Regreßforderungen drohten — dies alles hält man in der Senatsverkehrsverwaltung für Wahnsinn. Der Bund wolle nach dem »St.-Florians-Prinzip« die Unruhe und die Verkehrsstaus vom Regierungsviertel in die Friedrichstraße verlegen. Der Vorschlag sei eine Finte und nicht machbar.

Nun ist der Bund ein gewichtiger Partner, denn er zahlt die ganze, nicht gerade billige Geschichte. Allein der Tunnel kostet Milliarden. Gegen den Willen Bonns läuft in der Berliner Eisenbahnplanung also nichts. Deshalb äußerte sich Bundessenator Peter Radunski (CDU) am Dienstag abend eher skeptisch über die Chancen, das Senatskonzept in Bonn durchzusetzen. Der Standort Lehrter Bahnhof habe für den Senat zwar nach wie vor »erste Priorität«. Trotzdem müsse die Stadtregierung auch über Alternativen nachdenken. So könnte man eventuell die Tunnelröhren unter dem Spreebogen »auf Vorrat« bauen. Die Gleise kämen später dazu. Möglich wäre auch, auf den Zentralbahnhof an der Lehrter Straße zu verzichten und statt dessen mehrere kleine Verknüpfungspunkte zwischen der neuen Nord-Süd- Achse und der Ost-West-Bahnlinie zu schaffen. Noch in diesem Monat werde zwischen Bundeskanzler Helmut Kohl und dem Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen eine Entscheidung fallen, versicherte Radunski.

Intern wird im Senat bereits eine sogenannte »Rückfallebene« diskutiert. Falls Bonn sich weiter gegen das Achsenkreuz sträube, wolle man einen Zentralbahnhof im Süden, an der Papestraße vorschlagen. Dort, wo sich der S-Bahn-Ring mit der Nord-Süd-S-Bahn kreuzt, befindet sich aber die riesige Autobahn-Baustelle am Sachsendamm. Kommt der Bahnhof dorthin, verzögert sich der Autobahnausbau um Jahre.

Aber vielleicht haben andere Alternativen eine Chance, wenn Bonn sich weiter gegen den Tunnel stellt, etwa das »Ringmodell« der Bürgerinitiative Westtangente (siehe unten) oder ein Vorschlag des Bundes für Umwelt- und Naturschutz, die alten Kopfbahnhöfe wieder aufzubauen. Mit der Bundesregierung wäre das zu machen — nur der Senat ist dagegen. esch/hmt