Grausames Theater

■ Ein Kagel-Beckett-Abend in Köln

Viermal geht es in Günter Krämers neuer Kreation am Kölner Schauspielhaus ums Theater: um groteske Momente der darstellenden Kunst. Gemeinsam ist den drei musikalischen Szenen von Mauricio Kagel und der zentralen Episode von Samuel Beckett, daß sie skurrile Situationen, traumatische Konfrontationen des Theaters „auf den Punkt“ bringen.

Kagels Zwei-Mann-Szene Présentation ist fünfzehn Jahre alt, und der Conférencier, der sich vor dem öde dahinwerkelnden Pianisten zur Schau stellt, sieht uralt darin aus. Es ist einer, der sich beständig selbst gratuliert, schonungslos (doch unfreiwillig) die Schwächen eines gealterten Show-Gewerbes vorführt.

Bedeutend höher hat Beckett gegriffen, als er 1982 eine Szene für eine Solidaritätsveranstaltung, dem inhaftierten Vaclav Havel gewidmet, zu Papier brachte. Mit dem Rücken zum Publikum, tief in seinen Pelzmantel vergraben, thront und ruht da Regisseur R. auf der Bühne — der Regisseur schlechthin. Seinen Protagonisten läßt er strammstehen, seine Assistentin schikaniert er durch seine gelangweilt-langsame Proben-„Arbeit“ bis aufs Blut; er kommandiert sie, die ohnedies schon auf dem Zahnfleisch geht, bis der auf ein Podest gebannnte Darsteller wie ein Erschossener am Pfahl aussieht und sie zusammenbricht. „Das wird umwerfend sein“, gähnt er vor sich hin.

Die Zuschauer hat er zu Teilnehmern an einer lautlosen Exekution gemacht: zu Mitwissern. Günter Krämer, Kölns unlängst wegen autoritären Führungsstils öffentlich harsch gerügter Theaterchef, hat die Abrechnung mit dem Despotismus des Theatermachers kühl, hart, plausibel in Szene gesetzt.

Nach der still-grausamen „Katastrophe“ die raffiniert verkehrte Striptease-Nummer Zwei Akte von Kagel mit Karina Fallenstein und Herbert Knaup. Zum männlichen Röhren und Werben des Saxophons, zur weiblich getönten Antwort, dem zirpenden Sich-Zieren der Harfe, zeigen die zwei mit aller natürlichen Verklemmung, wie unnatürlich das Be- und Verkleiden eigentlich ist. Kagel, der Meister der Umkehrungen und Verdrehungen.

Er ist auch genauer Beobachter des scheinbar Nebensächlichen. Umzug, eine Deutsche Erstaufführung, präsentierte in minutiöser Choreographie die Mühsal und die komischen Momente beim Beladen eines Theater-Lastwagens mit Umzugskisten, die groteske Mechanik eines (als Panzerknacker-Bande maskierten) Kollektivs und das große Mißgeschick im Speditionsgeschäft. — Beim Umzug kamen die halb in Karnevalslaune ins Theater gezogenen Kölner voll auf ihre Kosten: heiterer Ausklang einer durchaus theater-, also selbst-kritischen Produktion, die durch Beckett den entscheidenden Tiefgang empfing. Frieder Reininghaus

Kagel/Beckett. Regie: Günter Krämer. Schauspielhaus Köln. Die nächsten Aufführungstermine: 7., 13., 27. März.