Schnüffelwütige Unternehmen

■ BASF ist keine Ausnahme/ Auch andere bundesdeutsche Betriebe wollen alles über ihre Beschäftigten wissen/ Aber der größte Schnüffler ist der deutsche Staat

Schon immer waren deutsche Unternehmen bestrebt, sich die Loyalität ihrer MitarbeiterInnen nach dem Motto „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“ zu sichern. Ob es um die volle Datenerfassung der Beschäftigten ging, um ihren Gesundheitszustand, ihre bisherigen beruflichen Stationen, ihre privaten Lebensverhältnisse oder ob es um den politischen Hintergrund von unliebsamen Betriebsräten ging — immer wollten sie ganz genau über ihre Arbeiter und Angestellten Bescheid wissen. Und im Öffentlichen Dienst hatte der SPD-geführte Senat in Hamburg mit dem „Radikalenerlaß“ ein später bundesweit, in manchen Bundesländern auch heute noch praktiziertes Instrument geschaffen, ganz legal die Verfassungsschutzbehörden in den Dienst der Personalpolitik zu stellen.

Was die BASF bei ihren Leiharbeitern und offenbar auch bei ihren Lehrlingen in Zusammenarbeit mit der örtlichen Polizei praktizierte, hat der bundesdeutsche Staat mit Hinweis auf die angeblich besondere Loyalitätspflicht der Angehörigen des Öffentlichen Dienstes systematisch und flächendeckend getan: vom Lehrer bis zum Postboten, vom Verwaltungsbeamten bis zum Lokführer wurden alle Staatsbeschäftigten einer „Regelanfrage“ beim Verfassungsschutz unterworfen. Und wer in den Maschen des bundesdeutschen Überwachungssystems als Angehöriger einer kommunistischen oder als verfassungswidrig eingestuften Partei hängengeblieben war, hatte als Staatsdiener keine Chance.

Aber nicht nur der Staat ließ seine Arbeitnehmer durchleuchten. Im Herbst 1987 wurde bekannt, daß der Siemens-Konzern alle Stellenbewerber und Versetzungswillige in seinem Werk für Kommunikationstechnik (ca. 8.000 Beschäftigte) in der Münchner Hoffmannstraße vom Bayrischen Amt für Verfassungsschutz durchleuchten ließ. Angeblich sei das gesamte Werk sicherheitsempfindlich. Insbesondere für alle Bereiche der Rüstungsproduktion gelten gesetzliche Bestimmungen, wonach eine Sicherheitsüberprüfung der Beschäftigten erlaubt ist. Welche Bereiche das sind, entscheiden Betriebe und Verfassungsschutz häufig unter sich, obwohl eine Zustimmung des Betriebsrats vorliegen muß. Die lag bei Siemens keineswegs vor, und so erklärte das Arbeitsgericht München die Schnüffelpraxis des größten deutschen Elektrokonzerns für illegal. Ähnlich großzügig praktizierte das Hamburger Stahlwerk die Überwachung durch den Verfassungsschutz, wo vom Hofaufkehrer bis zum Sachbearbeiter alles durchleuchtet wurde. Auch hier konnte die Schnüffelei nach Intervention der IG Metall erheblich eingeschränkt werden.

Auf einer anderen Ebene lag eine Auseinandersetzung bei der Opel AG in Rüsselsheim Anfang der achtziger Jahre. Dort wollte das Management ein Personalinformationssystem (PAISY) einführen, die voll computerisierte Erfassung aller möglichen Daten über die Beschäftigten. Der Opel-Betriebsrat protestierte gegen diesen Versuch der Firma, ihre Arbeiter und Angestellten zu „gläsernen Menschen“ zu machen, und erreichte in langen Verhandlungen und gerichtlichen Auseinandersetzungen eine Betriebsvereinbarung, die mißbräuchliche Verwendung und Verknüpfung der Daten etwa zur Leistungskontrolle einzelner MitarbeiterInnen ausschließt. Martin Kempe