Innere Leere nach der Rückkehr

■ Je eindrucksvoller die fremde Kultur, desto größer der Widerstand sich hier wieder anzupassen

Rückkehr ist häßlich, Rückkehr ist gräßlich. Das Wiederkommen und Wiedereintauchen in den grauen Alltag kann einem das Leben so vermiesen, daß der ganze Erholungseffekt zum Deibel geht. »Ich will so schnell wie möglich wieder weg«, schluchzen fast alle RückkehrerInnen — jedenfalls diejenigen, die nicht ins Ausland fahren, um dort im deutschesten Hotel beim deutschesten Koch glückliche Leberknödel unter der Turbo-Sonne zu mampfen. Je länger ein Urlaub oder Auslandsaufenthalt war, je tiefer man in eine fremde Kultur eingetaucht ist, desto größer ist auch der innere Widerstand, sich schmierenglatt wieder einzupassen. Nichts stimmt mehr zwischen uns, den Rückkehrenden, die die Welt in kreiselnder Bewegung sahen, und den anderen, den Daheimgebliebenden, die sich trotz ihrer alltäglichen Rastlosigkeit nicht von der Stelle rührten. Komisch eigentlich, daß PsychotherapeutInnen diese Marktlücke noch nicht entdeckt haben: Selbsterfahrungsgruppen, in denen depressive, weltwunde Ex-GlobetrotterInnen mit ihren brennenden Ananasherzen wieder zu sich selbst finden dürfen.

Dabei könnte ein Kulturschock die heilsamste Krankheit sein, sie sollte sogar staatlich gefördert werden. Plötzlich sieht man das eigene Leben und das eigene Land mit anderen Augen: seinen Reichtum, seine hohle Geschäftigkeit, seine innere Leere. Als ich 1977 aus dem bettelarmen, aber politisch gesehen damals noch vergleichsweise paradiesischen Tansania zurückkehrte, bekam ich in jedem Kaufhaus bei all den Bergen kaltglitzerndem Luxus einen Heulanfall. Als wir später einen tansanianischen Bauern hierher einluden, stand er fassungslos unter den riesigen Betonpfeilern der Autobahnen: »Millionen von Mark, um zehn Minuten Zeit zu sparen?«

Nicht unähnlich ergeht es RückkehrerInnen aus der ehemaligen Sowjetunion. »In den ersten Tagen konnte und wollte ich kaum aus dem Haus«, erzählt Monika S., »es war mir alles zu grell und zu bunt und zu luxuriös. Ich war in der Millionenstadt Wolgograd, aber im Vergleich zu dem Chaos von Berlin ist es ein Dorf. Die ganze knallbunte Werbung gab es dort nicht, dafür aber, damals noch, die ewiggleichen Lenin-Sprüche, die man nach einer Weile genauso wie die Reklame hier nicht mehr sieht.« Auch Anne W. fiel nach ihrer Wiederkehr aus Rußland vor allem die aggressive Werbung auf: »Im Fernsehen führten sie Pelze vor, 2.000 oder 3.000 Mark das Stück. Eine russische Krankenschwester verdient umgerechnet sechs bis zehn Mark im Monat, sie müßte also für einen hiesigen Billigpelz fünf bis sechs Jahre ihren gesamten Lohn sparen.«

Andere RückkehrerInnen merken, daß sie irgendwo unterwegs ihre Maske verloren haben: »Aus Afrika war ich es gewohnt, daß sich alle Menschen auf der Straße gegenseitig mit einem tiefen Blick in die Augen schauen, auch wenn sie sich nicht kennen«, berichtet Ulrike K. »Ich habe das als ungeheuer angenehm und menschlich empfunden und sehr schnell übernommen. Doch in Deutschland zurück, gab es den ganz großen Crash. Gleich mehrere Männer dachten, ich wollte mit ihnen anbändeln, sie verfolgten und bedrohten mich. Dabei war ich einfach nur so, wie ich es in Afrika gelernt hatte und eigentlich nicht mehr verlernen wollte. Aber man zwang mich dazu.«

Aber auch männliche Wesen können in unseren kalten Landen völlig ausrutschen und aus dem Gleichgewicht geraten. Uwe L. kam als 13jähriger mit seiner Familie nach langem Aufenthalt aus Chile zurück. »Als wir in Frankfurt in den Zug nach Norden umstiegen«, erinnert er sich, »bekam ich Herzschmerzen. Die hielten vier Monate lang an, ich konnte nicht mehr richtig atmen und hatte ständig ein beklemmendes Gefühl auf der Brust. Bis wir schließlich im Sommer nach Griechenland fuhren. Nach zwei Tagen Süden und Sonne waren die Schmerzen plötzlich weg und kamen nie wieder.« Dennoch fiel dem Jungen auch danach die Wiedereingewöhnung schwer: »Im Mietshaus war es so eng und roch immer nach Kohl. In Chile war ich ständig im Freien, aber in Deutschland war das ganze Leben reglementiert. Meine Tante beschwerte sich, daß meine Mutter keine Gardinen aufhängte und ihren verwandtschaftlichen Verpflichtungen nicht nachkam.«

Auch Emily G. litt fürchterlich, als sie nach dreimonatigem Trampen durch Australien heimkehrte: »Ich fühlte mich so gereift, aber die selben blöden Leute unterhielten sich immer noch über den gleichen Schwachsinn. Es war geradezu beleidigend, daß der Getränkemann immer noch da stand, genauso wie die Tankstelle oder auch mein Bett.« Doch Emily war pfiffig: Um den Bruch zwischen den Lebensweisen nicht zu groß werden zu lassen, schlief sie eine Woche lang jede Nacht in einem anderen Bett oder auf dem Balkon. Ute Scheub