»S-Bahn-Ring im nächsten Jahrtausend ausbauen«

■ Reichsbahnpräsident und Verkehrsverwaltung favorisieren Nord-Süd-Tunnel und Zentralbahnhof — auch wenn Bonner Milliarden nicht für Ausbau des Ringes reichen/ SPD bemängelt, daß das Vorhaben auf Kosten des Regionalverkehrs geht

Berlin. Im Streit um die Eisenbahnkonzeption scheint sich eine Lösung anzudeuten. Werner Remmert, Präsident der Deutschen Reichsbahn, sagte gestern gegenüber der taz, daß die Verwirklichung des Achsenkreuzes absolute Priorität genieße. Der Zentralbahnhof und der Nord-Süd- Eisenbahntunnel sollen auch dann zuallererst realisiert werden, wenn der S-Bahn-Ring für den regionalen Eisenbahnverkehr »erst später — im nächsten Jahrtausend — ausgebaut werden kann«. In den nächsten Wochen werde der finanzielle Rahmen, der von Bonn vorgeben ist, »abgeklopft« und geprüft, inwieweit der neue Vorschlag verkehrstechnisch effektiv genug sei. Eine Einigung, ob der geplante Zentralbahnhof in die Lehrter Straße oder die Friedrichstraße kommt, gebe es bisher nicht, so der Präsident.

Alexander Katzmarek, persönlicher Referent von Verkehrssenator Herwig Haase (CDU), begründete den vorläufigen Verzicht auf den Ausbau des S-Bahn-Ringes mit den Kosten. Die Tunneltrasse bräuchte Berlin sofort, »später kriegen wir sie nicht«. Für Teile des Ringbereiches wird es auf längere Sicht keine Investitionen geben. Regionale Eisenbahnzüge müßten über Papestraße, Yorckstraße, Zentralbahnhof und Gesundbrunnen abgefertigt werden. Für die S-Bahn werde der Ring wie vorgesehen wiederhergestellt.

Bei der SPD stößt der Verzicht auf den Ausbau des Ringes auf Kritik. Wenn die geplanten Ring-Bahnhöfe für den Regionalverkehr nicht gebaut würden, befürchtet Käthe Zillbach, verkehrspolitische Sprecherin der Fraktion, daß es die bisher gewünschten Entwicklungszentren am Ring nicht geben werde. Trotz der Beteuerung der Regierungsfraktionen, auf die polyzentrale Struktur Rücksicht zu nehmen, werde zentral geplant. Auch wenn der Fernverkehr wichtig sei, dürfe er nicht auf Kosten des Regionalverkehrs gehen. Zillbach stellt darüber hinaus in Frage, daß der Ring im nächsten Jahrtausend ohne weiteres ausgebaut werden könne. Berlin müßte jetzt die notwendigen Grundstücke kaufen.

Volker Liepelt, Geschäftsführer der CDU-Fraktion, bedauert, daß die 10,7 Milliarden Mark aus Bonn voraussichtlich nur für das Achsenkreuz reichen. Aber Berlin müsse jetzt mit dem Bau des Eisenbahntunnels beginnen.

Bis wann zuverlässige Zahlen über die Kosten des Achsenkreuzes vorliegen, konnte Remmert nicht sagen. Auch Bundesverkehrsminister Günther Krause (CDU) wollte sich dazu nicht äußern. Die Konzept- Kommission des Bundestages, die das Regierungsviertel im Spreebogen plant, fordert zu ihrer Sitzung am kommenden Donnerstag »entscheidungsreife Unterlagen« über das Eisenbahnkonzept. Ansonsten werde sich der Spreebogen-Wettbewerb verzögern. Dirk Wildt