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Tante Swanies Suppenküche läßt „FW Roadshow“ kalt

Mit Millionenaufwand und Optimismusgetöse wirbt Südafrikas Präsident um die Weißen, die in einer Woche über die Reformen abstimmen  ■ Von Willi Germund

Aufgeregt zucken die Mundwinkel im faltigen Gesicht von Margarete Suter. Auf ihrem dunkelblau geblümten Kleid klebt ein Sticker: „Ich liebe FW.“ Aber zwei Plaketten mit dem Wort „Ja“ schiebt die 62jährige Hausfrau von einer Hand in die andere. „Die kommen erst aufs Kleid, wenn Präsident FW de Klerk mir ein paar Fragen beantwortet“, sagt sie. Als Südafrikas Präsident schließlich in dunkelblauem Anzug in Tanie (Tante) Swanies Suppenküche für notleidende Weiße in Johannesburgs Stadtteil Willi Hofmeyer ankommt, drückt sie sich schüchtern in die Ecke. Ein südafrikanisches Staatsoberhaupt, das sich plötzlich unters Volk mischt und Hände schüttelt — das ist für weiße Südafrikaner so neu wie für den Präsidenten selber.

„FW Roadshow“ taufte das Team des Staatschefs den Wahlkampfmarathon, dem sich Frederik Willem de Klerk bis zum weißen Referendum am 17. März unterzieht. Einen Tag vor seinem 56. Geburtstag, so hofft der gelernte Jurist, werden die nach neuesten Berechnungen 3,3 Millionen weißen Wahlberechtigten das Geburtstagsgeschenk abliefern, auf das er hofft: ein überwältigendes Ja- Votum für eine Fortsetzung des Verhandlungsprozesses. Siegen seine Gegner, will er zurücktreten.

Ein Schachzug, der ihm vom US- Magazin 'Newsweek‘ die Bezeichnung „Gambling Man“, Spieler, eintrug. Ein zweischneidiges Kompliment in einer calvinistischen Gesellschaft, die Glücksspiel aus religiösen Gründen verbietet. „Ich bin kein Spieler“, nutzte de Klerk die erste Gelegenheit zum Widerspruch, „aber ich wette, daß ich gewinne.“ Zweifler beruhigt er: „Wir gingen ein kalkuliertes Risiko ein, aber ich versichere Ihnen, es wurde kalkuliert.“ Südafrikas voraussichtlich letzter weißer Präsident katapultierte sich mit der Verkündung des rein weißen Referendums aus einer politischen Ecke heraus. Dabei entscheidet wie in schlimmsten Apartheid- Zeiten eine kleine weiße Minderheit über die Zukunft von 40 Millionen Menschen. Selbst der Afrikanische Nationalkongreß (ANC) will stillhalten. Die Begründung: Nur so könne die Furcht vor Veränderungen bei den Weißen verringert werden.

Zach de Beer, Führer der oppositionellen Demokratischen Partei, steht plötzlich gemeinsam mit de Klerk auf der Bühne im Rathaus von Kapstadt. „Wer beim Referendum mit Nein stimmt, ist ein Feigling“, sagt der Oppositionspolitiker, der seit Jahrzehnten die Apartheid-Politik am Kap bekämpft hat und fordert die 1.000 Zuschauer auf: „Unterstützen Sie den Präsidenten.

Seinen Wahlkampf eröffnete de Klerk in Stellenbosch, der Wiege der Buren-Intellektuellen und dem Sitz einer Elite-Universität, die erst im letzten Jahr Afrikaans zur Lehrsprache machte. Begeistert klatschen die jungen weißen Studenten Beifall als de Klerk erklärt: „Ich gehöre nicht zu einer Allianz mit dem ANC.“

Der Auftritt in der Intellektuellen- Hochburg des Burentums soll ein Zeichen setzen. Aber er hat allenfalls symbolischen Wert. Verteidigungsminister Rolf Meyer, zu dessen Wahlkreis Johannesburgs Stadtteil Willi Hofmeyer gehört, gibt freimütig zu, daß die Nationale Partei, einst Verfechter des unterprivilegierten Burentums gegenüber wohlhabenderen Weißen, bei der Arbeiter- und unteren Mittelklasse der Buren keinen Stich mehr macht: „Hier haben wir kaum noch Stimmen.“ „De Klerk ist ein Verräter“, schimpft der 60jährige Willi van Schyff, die Arme auf ein fleckiges Schaumstoffkissen gestützt. „Für uns tut er nichts und die Kaffer kriegen unsere Arbeitsplätze.“ Van Schyff lebt mit fünf Kindern in einem Drei-Zimmer- Klinkerhaus. Im Vorgarten hat er Dutzende von Kakteen aufgereiht. „Mit dem Verkauf bessere ich meine Rente von 200 Mark monatlich auf“, sagt der Invalide, der zu den 200.000 Weißen gehört, die am Kap der guten Hoffnung zu den Armen gehören und am 17. März mit „Nein“ stimmen wird.

„Nein ist das Chaos“, malt de Klerk dagegen Südafrikas Apokalypse im Fall seiner Niederlage an die Wand. Dies ist auch der Tenor einer Anzeigenkampagne, die eine Initiative der Privatwirtschaft unter Führung des Medien-Barons Steven Mulholland von 'Times Media‘ täglich in den Zeitungen schaltet. Die regierende NP hat sich die Dienste der US-amerikanischen public relations-Firma Saatchi and Saatchi gesichert und gibt 15 Millionen Mark für ihre Propagandawalze aus.

Aber selbst de Klerks persönlich vorgetragene Argumente gehen in Tanie Swanies Suppenküche an Margarete Suter vorbei. Sie faßt sich ein Herz und kämpft sich durch den Ring mißtrauischer Sicherheitsbeamter. „Warum tun Sie nicht mehr für alte Leute?“ fragt sie. „Wenn Sie mit Ja stimmen, dann geht unsere internationale Isolierung zu Ende und dann geht es auch unserer Wirtschaft besser“, antwortet de Klerk ihr höflich. De Klerks Roadshow zieht zum nächsten Termin weiter. Aber Margarete Suter fummelt immer noch unschlüssig mit ihren gelben „Ja“- Plaketten aus Blech herum.

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