UNO verliert die Geduld mit Birma

■ Zehntausende moslemische Birmesen auf der Flucht nach Bangladesch und Thailand/ UN-Sondergesandter soll nach Rangun/ UN-Vollversammlung könnte Sanktionen beschließen

Dhaka (dpa/taz) - Bangladesch hat die fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates angerufen, sich mit der Massenflucht birmesischer Moslems zu befassen. Seit November sind nach amtlichen Angaben über 130.000 in den Südosten von Bangladesh geflüchtet, wo sie unter elenden Bedingungen in Sammellagern untergebracht werden. Nach Schätzung privater Hilfsorganisationen beträgt die Zahl der Flüchtlinge sogar über 170.000, täglich sollen 7.000 weitere Menschen eintreffen.

Die Regierung in Dhaka, die sich in ihren Hilfsmöglichkeiten überfordert sieht, versuchte zuvor vergeblich, sich mit Birma über eine Beendigung des Massenexodus sowie über die Repatriierung der bereits Geflüchteten zu verständigen. Die birmesische Diktatur in Rangun hat ihre eigenen brutalen Mittel, flüchtige Bürger aufzuhalten: Am Donnerstag versenkten Patrouillenschiffe zwei Fischerboote, mit denen sich 70 moslemische Familien über den Grenzfluß Naf nach Bangladesch absetzen wollten. Mindestens hundert Menschen seien ums Leben gekommen, berichteten Überlebende am Samstag. Auch gegen die Minderheit der Karen im Südosten des Landes geht die Regierung weiter militärisch vor. Nach Berichten von Karen-Angehörigen, die zu Zehntausenden über die Grenze nach Thailand fliehen, ist ihre Siedlungsregion in den vergangenen Wochen täglich bombardiert worden. Rund 2.000 Birmesen haben in Indien Zuflucht gesucht.

Der Appell aus Dhaka trifft die Vereinten Nationen nicht unvorherbereitet. Die UN-Menschenrechtskommission beschäftigte sich bereits auf ihrer Sitzung am Dienstag letzter Woche mit der Menschenrechtssituation in Birma. Erstmals machte sie dabei das Militärregime, das trotz einer klaren Wahlniederlage im Mai 1990 weiter an der Macht festhält, öffentlich für schwere Verletzungen der Menschenrechte verantwortlich. Die Kommission will nun einen Sondergesandten nach Rangun schicken, der neben Mitgliedern der Regierung auch mit Oppositionsführern zusammentreffen soll, darunter mit der inhaftierten Nobelpreisträgerin Aung Sang Suu Kyi. Dies war westlichen Beobachtern in den vergangenen zwei Jahren ständig verwehrt worden.

Die Ernennung des Sondergesandten ist für die UN-Menschenrechtskommission von „extremer Dringlichkeit“ und soll vermutlich schon im April stattfinden. Der Gesandte soll vor November abreisen, damit der UN-Vollversammlung in New York möglichst bald ein Bericht über die Menschenrechtssituation in Birma vorgelegt werden kann. Dies könnte der erste Schritt zu Sanktionen gegen das Regime sein. Der UN- Sicherheitsrat hätte die Möglichkeit, ein totales Embargo wie im Falle des Irak zu verhängen, falls er die anhaltende Massenflucht von Birmesen nach Bangladesch, Thailand und Indien als Gefahr für den Frieden und die Stabilität in der Region auffaßt. Wahrscheinlicher ist jedoch zunächst ein offizielles Waffenembargo, das die Vereinten Nationen informell bereits verhängt haben. Die westlichen Industrienationen und Japan haben dies im August 1988 formal ohnehin bereits getan, doch wird die Blockade von vielen Staaten, darunter der Bundesrepublik und Schweden, unterlaufen (siehe Kasten).

Unterdessen wächst der Druck auf UN-Organisationen wie das Kinderhilfswerk UNICEF und das Entwicklungshilfeprogramm UNDP, sich aus Birma zurückzuziehen. Die Menschenrechtskommission wird ihrerseits nicht darum herumkommen, zwei bisher geheimgehaltene Berichte über die Situation in Birma zu veröffentlichen, die ihr schon seit 1990 vorliegen. Eines der Kommissionsmitglieder wies darauf hin, das Regime in Rangun habe sich diese Maßnahmen selbst zuzuschreiben, da es jegliche Zusammenarbeit verweigert habe. rik