Nato und Warschauer Pakt vereint

■ Erstes Treffen des Nato-Kooperationsrates, an dem auch die elf GUS-Staaten teilnahmen/ Rußland fordert vom Kooperationsrat Unterstützung für seine Vermittlung um Berg-Karabach

Brüssel (afp/dpa/taz) — Gestern erlebte das Nato-Hauptquartier in Brüssel eine Premiere eigener Art. Erstmals war der frühere Gegner komplett bei der Nato angetreten, um über Verteidigungsplanung, gemeinsame Sicherheit und Rüstungskonversion zu reden. Nachdem im letzten Dezember der auf Drängen der USA und der BRD gegründete Nato-Kooperationsrat bereits mit den osteuropäischen Staaten und den drei baltischen Republiken getagt hatte, waren nun alle 11 GUS-Staaten vetrtreten. Dabei wurde ein Kooperationsprogramm für 1992 vereinbart. In acht Unterkapiteln ist eine Zusammenarbeit auf politischer, militärischer und wirtschaftlicher Ebene vorgesehen. Dazu gehören regelmäßige Treffen der Außenminister. Das nächste derartige Treffen soll am 5. Juni in Oslo stattfinden.

Im Kooperationsprogramm, dessen einzelne Bestandteile wegen finanzieller Probleme noch von der endgültigen Verabschiedung des Nato-Haushaltes abhängen, soll durch regelmäßige Konsultationen ein Meinungsaustausch zu sicherheitspolitischen Fragen und zur Entwicklung von Abrüstungskonzepten eingerichtet werden. Im militärischen Bereich sind Konsultationen des Nato-Militärausschusses, ein Besuchsprogramm sowie die Teilnahme der Osteuropäer an Nato- Lehrgängen geplant. Gegenstand dieser Zusammenarbeit sind die Streitkräftestruktur, die Entwicklung einer demokratischen Kontrolle über das Militär sowie Informationen zur Militärstrategie der Kooperationspartner. Wirtschaftsexperten sollen ein Seminar über die Umstellung der Rüstungsindustrie auf zivile Produkte organisieren und einen dauerhaften Dialog zu wirtschaftlichen Fragen einrichten.

Wesentliche Fragen des gestrigen Treffens waren die Umsetzung des noch mit der Sowjetunion vereinbarten Vertrages über konventionelle Abrüstug im Europa (VKSE) und der Krieg zwischen den Kooperationsratsmitgliedern Armenien und Aserbaidschan. Um das Abrüstungsprogramm umsetzen zu können, müssen die GUS-Staaten nun erst einmal untereinander klären, wie die Rote Armee unter ihnen auftgeteilt wird. Danach wird festgeschrieben, wieviel die einzelnen Staaten verschrotten müssen. Der gesamte Prozeß soll bis zum Sommer abgeschlossen sein, damit bei der KSZE-Gipfelkonferenz im Juli in Helsinki neue Truppenobergrenzen in Europa fstgelegt werden können.

Rußlands Außenminister Kosyrew machte in Brüssel darüberhinaus klar, daß sein Land Unterstützung für seine Vermittlungsinitiative im Konflikt um Berg-Karabach, der umkämpften armenischen Enklave in der Republik Aserbaidschan vom Nato-Kooperationsrat erwartet. Der Kooperationsrat, so Kosyrew, müsse neue Formen der Zusammenarbeit entwickeln. Zur Festigung der Sicherheit dürfte nicht mehr mit militärischen Muskeln gespielt werden. Vielmehr müßten bewährte Strukturen wie UNO, KSZE und der Kooperationsrat zur Beendigung von Blutvergießen und Bürgerrechtsverletzungen genutzt werden.

Parallel zu den Außenminsitern waren ebenfalls in Brüssel Spitzenbeamte aus den USA, der EG und Rußlands damit beschäftigt, Einzelheiten für das zukünftige gemeinsame Atomforschungszentrum festzulegen, in dem sowjetische Atomwissenschaftler einen Arbeitsplatz finden sollen. Nach der generellen Unterstützungszusage der USA und der EG, die damit die Abwanderung von Atomexperten in die Dritte Welt verhindern wollen, muß nun festgelegt werden, welche Wissenschaftlergruppe tatsächlich in den Genuß des Programms kommen soll und wonach die bisherigen Militärexperten zukünftig forschen sollen. JG