Siebeneinhalb Jahre für Anzünden der Tante

■ Urteil für »vollendeten Totschlag«: Junger Palästinenser hatte seine Tante lebensgefährlich verletzt

Moabit. Wegen »vollendeten Totschlags« ist gestern Bassam M. vom Landgericht zu siebeneinhalb Jahren Jugendstrafe verurteilt worden. Weil er die Tat mit »großer krimineller Energie« ausgeführt habe, so der Vorsitzende Richter in der Urteilsbegründung, sei die Kammer über die von der Staatsanwaltschaft geforderten sechs Jahre hinausgegangen. Der Palästinenser Bassam M., zum Tatzeitpunkt noch 20 Jahre alt, hatte im Mai vergangenen Jahres seiner 50jährigen Tante Fatimah in der Bülowstraße aufgelauert und sie mit elf Messerstichen lebensgefährlich verletzt. Weil sie für ihn »eine Hexe« war, hat er die bereits bewußtlose Frau zusätzlich mit Benzin übergossen und angezündet. Ob Frau M. zu diesem Zeitpunkt noch lebte, konnte im Laufe der vier Wochen dauernden Verhandlung nicht eindeutig geklärt werden. Als erwiesen gilt aber, daß Bassam M. die Tat eine Woche im voraus geplant hat.

Soweit es um diesen »Kernbereich der Tat« gegangen sei, sagte der Vorsitzende Richter bei der Urteilsverkündung, sei die Beweislage eindeutig gewesen. Schwierig und eigentlich nicht aufzuklären gewesen sei dagegen der Hintergrund für den Totschlag. Im Alter von sechs Jahren mußte Bassam M. bei einem Bombenangriff in einem Palästinenserlager mitansehen, wie seine Mutter verblutete. Vom Vater nach Deutschland geholt, wuchs er von nun an zwischen zwei Kulturen auf. 1984 wurde der Vater bei einem Raubüberfall in einer Kneipe ermordet.

Am Beerdigungstag des Vaters soll ihn die Tante Fatimah, deren Familie sich nun trotz großer Familienstreitigkeiten um Bassam M. kümmerte, im Badezimmer sexuell belästigt haben. In der Folgezeit habe sich Bassam M. zurückgezogen, es sei zu sexuellen Phantasien und Schulversagen gekommen. Ob der sexuelle Mißbrauch tatsächlich stattgefunden hatte und Bassam M. im Herbst 1990 versucht hatte, seine Tante zu vergewaltigen, konnte vom Gericht nicht aufgeklärt werden. Da Bassam M. einen »schweren Lebensweg« habe und an Depressionen leide, hat das Gericht auf Jugendstrafe und verminderte Schuldfähigkeit entschieden. sos