„Unser Leben ist in Kuwait nichts wert“

Mehrere hundert asiatische Hausangestellte in Kuwait haben sich in ihre Botschaften geflüchtet/ Sie wurden von ihren Arbeitgebern mißhandelt, geschlagen oder um ihren Lohn geprellt  ■ Von Ingrid Schneider

221 Frauen, die als Hausangestellte und Kindermädchen arbeiteten, haben seit der vergangenen Woche in der philippinschen Botschaft in Kuwait-City Zuflucht gesucht. An die hundert weitere Frauen halten sich in den Botschaften von Sri Lanka, Indien und Bangladesch auf. Die Hausangestellten wurden von ihren kuwaitischen Dienstherren vergewaltigt, geschlagen, oder es wurde ihnen seit langem kein Lohn ausgezahlt.

Die Frauen, die auf den Philippinen und in anderen asiatischen Ländern angeworben wurden, können nicht in ihre Länder zurückkehren, weil ihre Arbeitgeber ihre Pässe einbehalten haben. Bereits 1986 hatte die philippinische Regierung ihre Bürgerinnen für die Abeitsaufnahme in Kuwait gesperrt, nachdem sie über rund hundert Fälle von Mißhandlung und Vergewaltigung informiert worden war. Agenturen, die die Frauen als Kontraktarbeiterinnen anwerben, arbeiten seither und erst recht durch eine anschließende Verschärfung der kuwaitischen Gesetze illegal. Um das philippinische Verbot zu umgehen, erzählen die kuwaitischen Anwerbeagenturen den philippinischen Frauen, sie würden in anderen Golfstaaten wie Bahrein oder Qatar arbeiten — fliegen sie aber statt dessen nach Kuwait.

Hausangestellte verdienen dort durchschnittlich 125 Dollar im Monat, von denen sie meistens einen Teil an ihre Familien zu Hause überweisen. Nach einem Bericht der philippinischen Botschaft in Kuwait, der vergangenen Mittwoch der UNO vorgelegt wurde, haben seit Juni vergangenen Jahres 995 philippinische Hausangestellte über Mißhandlungen oder einbehaltene Lohnzahlungen berichtet. Von den 221 Frauen, die sich nun in der philippinischen Botschaft aufhalten, sind neun infolge von Vergewaltigungen schwanger, sieben andere wurden laut UN-Report so schwer mißhandelt, daß sie jetzt „geistig völlig desorientiert“ seien. Die Zeitung 'USA today‘ berichtet unter anderem von der 31jährigen Rodriga, die unfähig sei zu sprechen, seit ihr kuwaitischer Arbeitgeber ihr vor zwei Wochen mehrmals heftig auf den Kopf geschlagen habe. „Sie starrt stur geradeaus, stellt kaum Augenkontakt her und muß an der Hand geführt werden. Ihr rechtes Auge ist blutunterlaufen, ihre linke Backe geschwollen.“ Dieselbe Quelle zitiert die 31jährige Marife Venzon, die nach einem Vergewaltigungsversuch ihres Dienstherren geflohen ist: „Unser Leben ist den Kuwaitis nichts wert. Selbst die Iraker haben uns nicht so schlecht behandelt.“

In der kuwaitischen Presse und von offizieller Seite wurden die Botschaftsflüchtlinge bisher totgeschwiegen. Nun bietet Kuwait den Frauen den Rückflug in ihre Heimatländer an — allerdings zu mehr als dem Doppelten des regulären Flugpreises: Nach Angaben der Botschaftsdiplomaten verlangt die kuwaitische Regierung 1.463 Dollar für jeden Rückflug — der normale Flugpreis beträgt aber nur 593 Dollar. Die Differenz soll den kuwaitischen Arbeitgebern als „Entschädigung“ gezahlt werden. Die philippinische Regierung erklärt, sie könne die 323.323 Dollar Fluggebühren nicht bezahlen. Yolands Rodrigues, „Herbergsmutter“ der 221 geflohenen Frauen, meint: „Wir können uns das nicht leisten. Wir sitzen fest.“

Die US-Abgeordneten Pat Schröder, die die Vorfälle untersuchen wollte, erhielt kein Visum für Kuwait. Kuwaits Botschafter in den USA, Saud Nasir Sabah, betrachtet „diese Sache als strikt nationale Angelegenheit“ und lehnt jede „äußere Einmischung“ ab. Schröder will weiter vermitteln. Für sie ist die Lage der Hausangestellten „ein Fall von Kontrakt-Sklaverei. Diese Frauen werden als Geiseln gehalten.“