Bandenterror im Sold der Regierung

■ Regimetreue Milizen aus Jugendlichen verbreiten Angst und Schrecken/ Keine Chance auf ein normales Leben

N‘Djamena/Berlin (ips/taz) — Nächtliche Exekutionen in den Straßen, Leichen im Fluß Schari, verschwundene Oppositionelle und Mißliebige: Der zentralafrikanische Wüstenstaat Tschad ist zu den Mustern der Gewaltherrschaft zurückgekehrt. Über 150 Menschen, so berichten Augenzeugen, sind in den letzten Wochen bei Aktionen der „Republikanischen Garde“ ums Leben gekommen — eine Spezialeinheit des Staatschefs Idriss Deby, offiziell als „Sektion Fünf“ bekannt und ausschließlich unter den Jugendlichen des west-tschadischen Zaghawa-Volkes rekrutiert.

„Auf ihren Toyotas rasen sie durch die Stadt, einige mit Turbanen, andere mit roten Mützen,“ beschreibt der französische Menschenrechtler Andre Barthelemy die Zaghawa-Milizen in der Hauptstadt N'Djamena. „Die Bevölkerung haßt diese bewaffneten Zaghawas, die teilweise sehr jung sind und die Sprachen der Hauptstadt nicht sprechen. Sie betrachtet sie als Söldner des Regimes“.

Ex-Finanzminister Gali Gatta, heute Sprecher eines Oppositionsbündnisses: „Die Bevölkerung hat Angst, auf die Straße zu gehen. Es gibt keine legale Autorität mehr in der Stadt.“ Mit Gewehren bewaffnete Kinder, die Zivilisten ausrauben, mißhandeln und in einigen Fällen auch ermorden, sind bereits zu einem gewohnten Anblick geworden. „Es kann durchaus passieren, daß Sie von einem Kind mit einer Kalaschnikow belästigt werden“, kommentiert UNICEF-Projektleiter Mazars.

Das Zaghawa-Volk hatte besonders unter dem Schreckensregime von Hissein Habre zu leiten, den Idriss Deby Ende 1990 stürzte. Unter dem neuen Präsidenten nimmt es eine privilegierte Stellung inne. Die Zaghawas bildeten eigene Milizen, welche jetzt als Garde des Präsidenten tätig sind, und unternahmen Zwangsrekrutierungen für die Regierung. Als im Dezember 1991 Habre-Anhänger aus dem westlichen Nachbarstaat Niger in den Tschad einfielen, wurden mindestens 2.000 Kinder im Lac-Distrikt an der Grenze zu Niger und Nigeria gezwungen, sich den Regierungstruppen des neuen Staatspräsidenten Idriss Deby anzuschließen, berichtet UNICEF-Projektleiter Mazars. Die Kinder hätten eigentlich in ihren Heimatdörfern an einem Ausbildungsprogramm des UNO-Kinderhilfswerks UNICEF teilnehmen sollen, dem die neue Regierung bereits zugestimmt hatte. „Diese Kinder sind zum Töten ausgebildet worden“, sagt Mazars. „Sie haben keine andere Ausbildung und keine Chance, ein normales Leben zu führen.“

Seitdem am 21. Februar ein unerklärter Angriff auf eine Polizeistation im Süden der Hauptstadt stattfand, unternehmen die Milizen dort regelrechte Rachefeldzüge, deren Opfer dann auf den Straßen oder im Fluß zu finden sind. Dafür benutzen sie französische Militärfahrzeuge, von Paris zur „Umstrukturierung“ der tschadischen Armee geliefert. Zu ihren Opfern gehören der Vizepräsident der Tschadischen Menschenrechtsliga, Joseph Behidi. Nach seinem Tod forderte ein mehrtägiger Generalstreik die „Entmilitarisierung“ der Hauptstadt — als Reaktion schickte Frankreich 120 Soldaten, um dem bedrängten Deby-Regime unter die Arme zu greifen.

Besonders heftig gehen die Milizen auch gegen Zuwanderer aus dem Süden vor. Diese haben wiederum eigene Milizen aufgestellt — die auch vornehmlich aus Kindern bestehen. Eine Jugendbande hat ihr Quartier an einer Mülldeponie nahe einem französischen Militärstützpunkt östlich der Hauptstadt aufgeschlagen. Ihre Mitglieder sind junge Zuwanderer aus Dörfern im südöstlichen Distrikt Moyen Chari, eine der dichtestbesiedelten und fruchtbarsten Gegenden des Tschad.

Die Arbeitslosigkeit unter den 100.000 Einwohnern des Distrikts ist bereits jetzt sehr hoch und nimmt nach Auskunft der Lokalbehörden weiter zu, zumal die Regierung einen Einstellungsstopp verfügt hat. Die Schulbesuchsrate im Tschad ist eine der niedrigsten der Welt: Nur 1,5 Prozent der sechs- bis vierzehnjährigen Jungen besuchen nach amtlichen Statistiken eine Schule. D.J.