Mielke schweigt auch vor Schalck-Ausschuß

Berlin (taz) — „Ich habe meine Moral, diene der Arbeiterklasse und dem Staat“ — mit solchen Ergüssen speiste der frühere Stasi-Minister Erich Mielke am Mittwochnachmittag in Saal 301 des Berliner Reichstagsgebäudes die aus Bonn eingeflogenen Abgeordneten des parlamentarischen Schalck-Untersuchungsausschusses ab. Diese Moral verbot dem Geheimdienstchef offenbar, Erhellendes über seinen früheren Untergebenen Alexander Schalck-Golodkowski preiszugeben. Erich Mielke, der — mit Stock, aber ohne Hut — von einem Krankenpfleger und einem Sicherheitsbeamten im Rollstuhl in den Zeugenstand geschoben und von seinem Anwalt Gerd Graubner empfangen wurde, nahm für sich unter Verweis auf sein laufendes und ein weiteres bevorstehendes Strafverfahren ein Aussageverweigerungsrecht in Anspruch. Vergeblich ermahnte der Ausschußvorsitzende Horst Eylmann (CDU) den Zeugen Mielke mehrmals, daß er sehr wohl zur Beantwortung von Fragen verpflichtet sei, die den Gegenstand seiner Strafverfahren nicht berühren. Mielke blieb stur: „Alles, was der Wahrheit dient“, vertröstete er die Parlamentarier, „werde ich sagen, aber zur rechten Zeit.“ Die sieht er frühestens gekommen, wenn seine Strafverfahren abgeschlossen sind.

Das einstündige Fragespiel der Abgeordneten nahm streckenweise possenhafte Züge an. Ein „Stück aus dem Tollhaus“ fand es Ausschußchef Eylmann etwa, daß Mielke auf eine Frage von Ingrid Köppe (Bündnis 90/ Grüne) nach der Funktion eines „Offiziers in besonderem Einsatz“ rotzfrech antwortete: „Erklären Sie mir das mal.“ Andere Fragen quittierte er mit Plattheiten wie: „Nicht ausgeschlossen, daß Analysen über meinen Schreibtisch“ liefen. An vieles mochte er sich in gewohnter Manier schlichtweg nicht mehr erinnern. Nach einer Stunde unergiebigem Frage-Antwort-Spiel zogen sich die frustrierten Abgeordneten zur nichtöffentlichen Beratung zurück.

Der Ausschuß war nach Berlin gereist, um von Mielke Aufschluß darüber zu erhalten, „wie Schalcks KoKo-Imperium in den Stasi-Apparat eingebaut war“, so SPD-Obmann Andreas von Bülow. Aus den Akten des Ausschusses geht laut von Bülow hervor, daß Schalck seine „einzigartige Machtposition“ der direkten persönlichen Protektion Mielkes verdankte und sein Firmennetz Kommerzielle Koordinierung „unter Sonderrecht der Stasi“ arbeitete. Vier Mitarbeiter des Ausschuß-Sekretariats sind mittlerweile in der Gauck-Behörde dabei, zusammen mit Gaucks Leuten die 1.900 dort lagernden Stasi-Akten über den Bereich Kommerzielle Koordinierung zu sichten. Th. Scheuer