F 117 A gegen Fickinger

■ Bremische Schulhöfe sind ein großer Tauschmarkt für Computerspiele aller Art

Ich war einfach schlecht: „Du bist selber ein Dreck's Kanacke!“ meldete der legasthenische Monitor. Durchgerasselt beim Anti- Türken-Test. Nebenan beim Poker Strip setzte ich auf Full House, verlor und sah keinen einzigen Busen, während zwei Monitore weiter dicke Penisse schufteten wie Pleuelstangen und hinter mir Fritz, der Lehrer, die Steuern erhöhte und ein paar Gefangene erschoß, was zumindest seinen Computer ziemlich begeisterte: „Heil Fritz, Ihre Armeen stehen vor Sizillien!“

Was hier im Lidice-Haus über die Bildschirme flimmert, hat den Charme eines piepsenden Gomorrha: Das sind, in Auswahl, die Computerspiele, die auf bremischen Schulhöfen zirkulieren. Der Bremer Computer Club hat einfach mal gesammelt, was alles so getauscht wird. Und im Lidice- Haus durften sich Lehrerinnen und Jugendarbeiter mal anschauen, was die schutzbefohlenen Knirpse so treiben. „Aber die Nazi-Spiele sind gar nicht das Problem“, sagt Robert Weißmantel vom Club, „das Problem ist, daß über dieses ganze neue Medium nirgendwo gesprochen wird.“

Dabei haben gut 90 Prozent der bremischen Schulkinder Zugang zu einem Computer, und fast alle benutzen ihn ausschließlich zum Spielen. Das hat in einer Umfrage an den hiesigen Schulen Friedemann Schindler ermittelt (s. Kasten).

Seltsam, daß dieses Massenfreizeitspäßken trotz enormer Verbreitung bisher unbeachtet blieb. „Die Kids holen sich einfach, was sie brauchen“, sagt Robert Weißmantel, „und zum geringsten Teil aus dem Handel. Der Rest kommt aus den Mail-Boxes, teils als frei zugängliche Shareware oder als leicht verstümmelte Crippleware, wo man erst für die komplette Version bezahlen müßte. Natürlich kopiert man viel bei Freunden, und vor allem: Auf den Schulhöfen wird in einem ungeahnten Ausmaß getauscht.“ Das sind regelrechte Sub- Märkte: was die Kids an Spielen zuhause haben, hängt jeweils stark von der Schule ab, die sie besuchen.

Die echten Hardcore-Disketten kursieren da eher als Kuriositäten: Man muß sie schon auch haben (erst recht, wenn sie auf einem Index stehen), zum Spielen aber sind sie offensichtlich einfach zu doof. Die üblichen Pornos, die über die Erotik einer

Nähmaschine kaum hinauskommen, können die Kids nicht lange begeistern; und die Nazi-Spielchen sind orthographisch wie spieltechnisch geradezu bestür

nackte Frau

Conan-Bild

zende Trotteleien. Sie fungieren als Symbole und Botschaften eher innerhalb von Spezial-Szenen.

Weißmantel bezweifelt deshalb, daß die Kids eine schützende Hand brauchen, die sie vor den „Pfuipfui-Spielen“ warnt: „Das regeln die selber.“ Gefährlich sind dagegen, sagt er, die technisch ausgereiften Pornos der neuen Generation und vor allem die ganz normalen Gewaltspiele. „Stephan da hinten hockt grad am Flugsimulator.“ Und wie es da blinkt: F 117 A bietet das ganze Instrumentarium eines Stealth- Bombers auf dem Monitor und ein Handbuch dazu von zweihundert Seiten. Nebenan sind andere Shows in Gang: Monster jeder Sorte, Catcher in Slum-Kulissen; auch wunderbar farbreiche Strategiespiele und andere Leuchten der Vernunft wie Ökotopia; alles gut animiert und zweifellos viel attraktiver als Fickinger und Hitler II.

„Die Spiele müßten, schon damit sich die Produktionsqualität erhöht, einfach Gegenstand der Kritik werden“, sagt Weißmantel. „Wenn erst einmal regelmäßige Spiele-Rezensionen erscheinen, wenn die Schulen drüber debattieren und selber Spiele im Unterricht produzieren, wenn die Bibliotheken interessante Ausleihbestände aufbauen, dann wird sich das sehr schnell normalisieren.“

Manfred Dworschak