piwik no script img

Todesstoß für Asyl-Grundrecht

■ Bremer Anwaltsverein kritisiert neues Schnellverfahren im Asylrecht

Als eine „endgültige Demontage“ des Asylrechts sieht die Arbeitsgemeinschaft für Ausländer- und Asylrecht im Bremer Anwaltsverein das geplante Schnellverfahren für Flüchtlinge. Der „Gesetzesentwurf zur Neuregelung des Asyslverfahrens“ bringe Asylbewerbern nichts Gutes. „Man muß damit rechnen, daß ein Flüchtling schon eine Stunde nach seiner Ankunft im Sammellager seinen begründeten Asylantrag vorlegen muß, ohne einen Anwalt konsultieren zu können und ohne zu wissen, was für ein Antrag in Deutschland relevant ist“, erklärte gestern Rechtsanwalt Volkert Ohm die Auswirkungen der geplanten Neufassung des Asylverfahrensgesetzes.

Schon am 1. Mai 1992 soll die Neuregelung bundesweit in Kraft treten. Nach dem neuen Schnellverfahren soll die gesamte Prüfung innerhalb von zwei Wochen abgeschlossen sein. Klage gegen „offensichtlich unbegründete“ Anträge kann dann nur noch innerhalb einer Woche erhoben werden.

„Das ist praktisch gar nicht möglich,“ kritisierte Anwalt Günther Werner die geplante Einspruchsfrist. Die Akteneinsicht für die Rechtsanwälte werde ebenfalls erschwert.

„Schlußstrich unter die deutsche Exilerfahrung“

„Das geplante Gesetz wird nicht funktionieren, weil es nicht genügend Beamte für die Anhörung gibt,“ prophezeite Ohm. Schon jetzt können im Zirndorfer Bundesamt 250.000 Asylanträge aufgrund des fehlenden Personals nicht bearbeitet werden. Möglicherweise würden Feldwebel der verkleinerten Bundeswehr und Beamte des Verfassungsschutzes dann umgeschult, um als „Entscheider“ über Asylanträge in den Sammellagern zu fungieren.

Eine sachgemäße und verantwortliche Vertretung durch Rechtsanwälte wäre nach Ansicht der Arbeitsgemeinschaft mit dem Schnellverfahren nicht mehr möglich. „Mit dem Todesstoß für das Asylrecht wird auch ein Schlußstrich unter die deutsche Geschichts- und Exilerfahrung gezogen,“ erklärte Ohm. sim

Am 17. März veranstaltet die Arbeitsgemeinschaft in der St.-Stephani-Gemeinde, Faulenstr. 108, einen Informationsabend

zum Thema „Das neue

Asylverfahrensgesetz — was bleibt vom Asylrecht?“

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen