Ein ganz privater kleiner Krieg

■ Nach dem hundertsten „Herzblatt“ kommt die erste Scheidungs-Show

Sensationelle sieben Millionen Zuschauer sitzen jeden Sonntag nach der Tagesschau vor dem RTL plus- Schirm, wenn jeweils drei Paare um die Eheschließung vor laufender Kamera wetteifern. Sieben Millionen Zuschauer, die den Neid der Kollegen wecken und sie nicht eher ruhen ließen, bis sie jetzt endlich mit einem sonntäglichen Alternativprogramm aufwarten können. Die zwei kleinen Privatsender haben sich zusammengeschlossen, um nach dem Motto: „verliebt, verlobt, veheiratet“ haben wir schon, warum versuchen wir es nicht mal mit „geschieden“, in neue TV-Tabuzonen vorzustoßen. Ehekrieg soll die Alternative zur Traumhochzeit heißen und am 3. Mai soll es losgehen. Statt liebseliger Gefühlsduselei und Brunftgesängen vor laufender Kamera, steht dann der handfeste Ehekrach, der intelligentest ausgeführte Seitensprung oder der raffinierteste Partnerterror auf dem Programm.

Auf dem Spiel steht eine Menge Geld. Es war zu erfahren, daß man mehrere potente Sponsoren gefunden hat, die es sich leisten wollen, zehnjährige Renten, „die das Auskommen sichern“, zu finanzieren. Aber dafür muß von den Kandidaten schon einiges geboten werden. Aggressiver Seelenstriptease ist angesagt. Da muß der eigene Schweinehund nach außen gekehrt, der alltägliche Ehekleinkrieg offenbart werden. „Kein Kandidat, keine Kandidatin kann davon ausgehen, daß sie Sympathieträger sind“, so Rainer Bronnen, der leitende Redakteur der Sendung gegenüber der taz. „Die Zuschauer sollen die kleinen und großen Schweinereien, die zur Scheidung führen, goutieren. Sie sollen sich aber auch wiedererkennen.“

Vier Noch-Ehepaare, die ihr Trennungsjahr bereits hinter sich haben, werden aufeinander gehetzt. Ein letztes Mal müssen sie als Ehepaar gemeinsam auftreten, um die anderen Paare aus dem Rennen zu werfen. Nur wer schonungslos gegen sich und seinen Partner oder Partnerin vorgeht, hat eine Chance zu gewinnen. Werten soll der Zuschauer daheim per Telefon. Fragen wie: „Was hat Sie an ihm schon vor der Ehe genervt?“ gehören da schon zur harmloseren Kategorie. Fragen nach Alkoholkonsum, dem Umgang mit Kindern oder: „Hat er Sie je zum Orgasmus gebracht?“ sollten die Ehepaare schon beantworten können.

„Die Kandidatensuche gestaltet sich entsprechend schwierig“, gesteht Rainer Bronnen. Die Redaktion beschäftigt deshalb ein ganzes Rudel von Kopfjägern, die quer durch die Bundesrepublik auf der Suche nach scheidungswütigen Paaren sind. Die in einstündigen Castings getesteten MitspielerInnen müssen originell, schlagfertig und witzig sein und eine Menge Wut auf den verflossenen Partner haben. Von zwanzig Paaren, die in Cafés, Waschsalons, Betrieben oder einfach durch den Tratsch in der Nachbarschaft gefunden werden, ist letztendlich nur eines reif für die Show. Vier Sendungen seien gesichert, so Rainer Bronnen. Er gibt zu, das sei wenig. „Aber dieses Risiko müssen wir eingehen, wenn wir gegen die Traumhochzeit bestehen wollen.“ Man erhofft nach der Auftaktsendung einen großen Zulauf.

Kritik, daß die Sendung zu brutal in die Intimsphäre der Menschen eingreift, weist der Redakteur energisch zurück. „Die Paare werden von Psychologen betreut. Durch das Beispielhafte, das sich den Zuschauern während der Sendung auftut, werden die Zuschauer ihre eigenen Eheprobleme erkennen und dafür sorgen, daß ihre Ehe nicht scheitert.“

Der große Knüller soll das Finale werden, wenn das Ehepaar, das sich durchgesetzt hat, gegeneinander antritt. Denn Rente gibt es nur für einen von den beiden. Da geht es dann um die Problemfelder der eigenen Scheidung: Kinder, Geld oder ein Haus, das zu teilen ist. Und die Fernsehzuschauer spielen Scheidungsrichter. Nur wer hier besteht, die beste Tour fährt, kann gewinnen. Peter Huth