Ministerpräsident Gomolka (CDU) gibt auf
: Lehrjahre werden keine Meisterjahre

■ Von seiner Fraktion alleingelassen, kündigte Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Gomolka am Samstag schließlich seinen Rücktritt an. Über einen...

Lehrjahre werden keine Meisterjahre Von seiner Fraktion alleingelassen, kündigte Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Gomolka am Samstag schließlich seinen Rücktritt an. Über einen Nachfolger wollte der Landesverband noch am Sonntag abend entscheiden. Bei der hauchdünnen Koalitionsmehrheit ist Gomolkas Stimme immerhin von großer Bedeutung.

Um 19.50 Uhr geht die Tür auf. Der Bundesverkehrsminister eskortiert einen erschöpften, schwitzenden Alfred Gomolka durch den Journalistenpulk. Gerade noch rechtzeitig für die Tagesschau sagt der Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern sein Sprüchlein auf: „Am kommenden Montag werde ich meinen Rücktritt erklären, da ich nur noch das Vertrauen von sechs Mitgliedern meiner Fraktion genieße.“ Gomolka, eingeklemmt zwischen dem CDU-Fraktionsvorsitzenden Eckhardt Rehberg rechts und Günther Krause links, überläßt es Rehberg, mitzuteilen, daß ihm von 28 anwesenden FraktionskollegInnen 22 das Mißtrauen ausgesprochen haben. Und er überläßt es Krause, zu erklären, daß man „aus dem Kreise der CDU-Politiker einen geeigneten Nachfolger nominieren“ werde.

Nein, „menschlich“ sei er „nicht enttäuscht“. Gomolka lächelt um den Rest seiner Würde. Noch am Mittag hatte er erklärt, er trete nicht zurück. Danach gefragt, macht sich Gomolka nun ungewollt zum Witzbold: „Ich habe gesagt, daß ich nicht heute und nicht morgen zurücktreten werde.“ Nein, er muß erst am Montag zurücktreten, „nach einer kurzen intensiven Lehrzeit“, in der er gelernt habe, „Niederlagen zu verkraften“. Die Hände des Ministerpräsidenten zittern so, daß er die eine mit der anderen festhalten muß und die Daumen, die er gegeneinanderschlägt, sich gelegentlich verfehlen.

Born: „Loyal bis zur Selbstverleugnung“

Ulrich Born dagegen, der von Gomolka entlassene Justizminister, präsentiert sich wenige Stunden zuvor in Wismar als Sieger. Lässig erklärt der Jurist, „Kritikpunkte an meinem Geschäftsbereich hat es nicht gegeben, auch vom Ministerpräsidenten nicht“. Gomolka hatte Born, den einzigen Wessi im Kabinett, als Hauptgegner im CDU-internen Machtkampf ausgemacht und ihn am Freitag abend entlassen. Genüßlich erklärt Ulrich Born dagegen, er habe seinem Ministerpräsidenten „loyal bis zur Selbstverleugnung“ gedient und nach außen über dessen Politik, insbesondere die katastrophale Personalpolitik Gomolkas, stets geschwiegen. Der Mann darf zu dieser Stunde sicher sein, daß seine Entlassung, die Gomolka gegen die Schweriner CDU-Fraktion und gegen die Empfehlung Kohls durchgesetzt hat, zum Auslöser für den Sturz Gomolkas werden wird.

Born ist in die überheizte Mensa der Technischen Hochschule von Wismar gekommen, um sich von den Delegierten des Wismarer CDU- Kreisverbandes zu ihrem neuen Vorsitzenden wählen zu lassen. Die Wahl ist gut vorbereitet, 33 der 44 Delegierten stimmen für Born, einen Gegenkandidaten gibt es nicht. Der CDU-Landesvorsitzende Krause hatte seinem Günstling Born, der kein Mandat besitzt, bereits Ende letzten Jahres empfohlen, seine Basis in der mecklenburgischen CDU zu verbreitern, und ist selbst nach Wismar gekommen, um vor der Versammlung für Born zu sprechen. Während ein Delegierter auf dem Flur noch hofft, daß der entlassene Justizminister „nun viel Zeit für den Wismarer Kreisverband haben“ werde, verkündet Born ein paar Schritte weiter, er werde selbstverständlich einem Kabinett ohne Gomolka seine Fähigkeiten wieder zur Verfügung stellen.

Im Schweriner Schloß, dem Sitz des mecklenburgischen Landtags, erklärt wenig später der Dritte im Bunde mit Krause und Born und bis dahin aussichtsreichste Gomolka- Nachfolger, Innenminister Georg Diederich, er werde den geschaßten Born „mit Sicherheit voll rehabilitieren“. Auf dem Treppenabsatz vor dem CDU-Fraktionszimmer hat das Warten begonnen. Hinter der hohen Tür wird Gomolka seit Stunden von Krause und der stellvertretenden CDU-Bundesvorsitzenden Angela Merkel bearbeitet. Zwei Stockwerke höher legt die SPD-Fraktion ihren Weg in die Nach-Gomolka-Ära fest. Die CDU sei schon lange vor der Werftenkrise unfähig gewesen, sich mit etwas anderem als sich selbst zu beschäftigen, sagt Fraktionschef Ringstorff. Ein Personalaustausch löse keines der Probleme im Lande. Die GenossInnen wollen so schnell wie möglich Neuwahlen. Sie haben eine Landtags-Sondersitzung beantragt, in der sie mit einem Mißtrauensvotum den neuen CDU-Ministerpräsidenten kippen wollen. Gegenkandidat: Harald Ringstorff. Auf die Tagesordnung setzt die SPD außerdem die Aufhebung des Landtagsbeschlusses zur Werftenprivatisierung zugunsten einer Entschließung für die „große Verbundlösung“.

Ringstorff bekundet „bei aller politischen Gegenerschaft“ milde lächelnd „Sympathie für Gomolka“, der gegen die „schmucke und glatte Riege der Putschisten aufrichtig um seine Selbstachtung“ kämpfe. Einen Abstimmungserfolg könnte die SPD jedoch nur erringen, wenn außer den PDS-Abgeordneten auch CDU-Mitglieder das Mißtrauensvotum und den Antrag auf Neuwahlen unterstützen würden. Der SPD-Chef äußert die Hoffnung, daß einige CDUler, zermürbt von dem Machtkampf in den eigenen Reihen, so weit gehen könnten, „mit Neuwahlen auch das Problem der Altlasten in ihren Reihen“ vom Hals zu bekommen. Schließlich sei klar, „daß diese Fraktion nicht kalkulierbar ist“.

Gomolkas Rücktrittsankündigung wirft wenig später in den erhitzten Reihen der CDU im Schweriner Schloß dieselbe Frage auf. Der Noch-Ministerpräsident will sein Landtagsmandat „vorläufig behalten“. Auf die Frage, ob er jedem Nachfolgekandidaten seine Stimme geben werde, antwortet er mit einem schlichten „Nein“. Bei der hauchdünnen Mehrheit von einer Stimme für die CDU-FDP-Koalition im Mecklenburger Landtag ist dies die Macht, die dem bei seinem Amtsantritt als „kleiner Kohl von Schwerin“ titulierten Ex-Landeschef noch bleibt. Bettina Markmeyer, Schwerin