Mülleimer demnächst mit Mikroelektronik

■ Großversuch der Stadtreinigung: Mikrochips an Abfallbehältern sollen für gerechte Tarife sorgen/ Tonnen werden gewogen/ Beginn im April?

Berlin. Auf den wichtigsten Exportartikel Japans wartet eine neue Aufgabe: Die Berliner Stadtreinigung (BSR) will Mikrochips an Tausende von Mülltonnen heften. Mit Hilfe der Integrierten Schaltkreise (IC) soll geprüft werden, wieviel Abfall einzelne Haushalte verursachen. Wenn sich der Versuch bewährt, wäre es möglich, Müllgebühren nach dem Gewicht des weggeworfenen Mülls zu berechnen, sagt BSR-Sprecherin Sabine Thümler.

Erstmals könnte mit dem »Wiegesystem« der finanzielle Anreiz geschaffen werden, Müll zu sortieren und zu vermeiden. Denn wer Papier, Glas und Blech statt in seine mit Mikrochip ausgerüstete Tonne in Recycling-Behälter werfe, zahle automatisch weniger Gebühren, so Thümler. Bisher kostet beispielsweise die wöchentliche Entleerung eines 120-Liter-Gefäßes 94,60 Mark pro Vierteljahr — egal wie voll oder leer die Tonne ist.

Die Mülltonnen werden mit den etwa 30 Mark teuren Chips und die Müllwagen mit einer Leseeinrichtung versehen. Wenn die Müllabfuhr kommt, werden der Abfalleimer auf dem Laster automatisch gewogen und die Daten des fingernagelgroßen Elektronikplättchens per Funk abgefragt. Der Chip-Versuch sollte bereits in diesem Monat beginnen, doch sei der Termin an technischen Problemen gescheitert, erläuterte die BSR-Sprecherin. Möglicherweise werden die Abfalleimer im April digitalisiert, »auf jeden Fall aber in diesem Jahr«.

Thümler erwartet durch die Untersuchung Rückschlüsse darauf, inwieweit beispielsweise die Kompost-Tonne genutzt werde und ob es in Gebieten mit unterschiedlich sozialer Struktur ein differenziertes »Wegwerfverhalten« gebe. Neben der Praktikabilität soll auch festgestellt werden, ob die Kosten im Verhältnis zum Nutzen ständen.

Die Berliner Stadtreinigung ist nicht das einzige Unternehmen, daß Mülleimer »schlau« macht. Im Saarland beginnt der kommunale Abfallentsorgungsverband (KABV) im Mai mit demselben Versuch. In einem Gebiet mit 20.000 Einwohnern wird die elektronische »Müllverwiegung« aber auch mit alternativen Gebührenmodellen verglichen. Beim »Banderolen-System« leert der kommunale Verband Behälter nur, wenn sie mit einer Wertmarke ausgerüstet sind. Dem einzelnen Haushalt bleibt überlassen, wie oft er seine Tonne entsorgen läßt. Die Gebühren werden mit dem Kauf der Wertmarken bezahlt. Je seltener die Müllabfuhr in Anspruch genommen wird, desto niedriger die Müllgebühr. Das drei Millionen Mark teure Versuchsprojekt im Saarland wird zur einen Hälfte vom Bund finanziert und zur anderen von der KABV.

Das Wertmarkenprinzip werde parallel untersucht, weil die Mikrochip-Mülltonne nicht nur Vorteile biete, sagt Abteilungsleiter Wolfgang Schäfer. Die Technik sei teuer, und es sei nicht ausgeschlossen, daß manche ihre Abfälle in die Nachbartonne schütten. Gert Jordan, Mitarbeiter des Berliner »Instituts für ökologisches Recycling«, lobt das Wiegesystem, allerdings sei es bei den Großbehältern von Hochhäusern nicht auf einzelne Haushalte anwendbar. Dirk Wildt