Mieter müssen Modernisierung dulden

Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs: Modernisierung ist statthaft, wenn sich dadurch der Wohnungszustand an den Standard der Umgebung angleicht  ■ Von Eva Schweitzer

MieterInnen droht künftig mehr als bisher die Gefahr, per Modernisierung aus ihrer Wohnung vertrieben zu werden: Nach einem kürzlich ergangenen Rechtsentscheid des Bundesgerichtshofes (BGH) sind Mieter verpflichtet, unabhängig von ihren persönlichen finanziellen Verhältnisse eine Modernisierung zu dulden, wenn damit ein Zustand der Wohnung hergestellt wird, der bei zwei Dritteln aller Wohnungen gleichen Baualters und innerhalb der gleichen Region üblich ist. Damit revidierte der BGH ein Urteil des Berliner Kammergerichtes von 1985: Demnach müssen MieterInnen nur dann Modernisierungen dulden, wenn der damit erreichte Zustand der Wohnung bei 90 Prozent aller Wohnungen üblich ist. Diese 90 Prozent beziehen sich allerdings auf das ganze alte Bundesgebiet und sowie auf Alt- wie auf Neubauwohnungen. Die Kosten einer Modernisierung können prinzipiell auf die Miete umgelegt werden, und zwar mit 11 Prozent der Baukosten auf die Jahresmiete, was bei einfach ausgestatteten Wohnungen einer Verdoppelung der Miete gleichkommt.

In dem Fall, den der Bundesgerichtshof zu bearbeiten hatte, ging es um eine Dreizimmerwohnung in Heidelberg, die vor der Modernisierung 380 Mark im Monat kostete. Nach Einbau von Bad, Zentralheizung und Innentoilette, was zusammen 36.800 Mark gekostet hat, wären für die Wohnung 910 Mark im Monat fällig gewesen. Dies sei den Mietern — einem Rentnerehepaar mit 1.877 Mark Monatseinkommen — zuzumuten, befand der BGH. Denn dieser Ausstattungsstandard der Wohnung sei inzwischen allgemein üblich. Damit widerrief der BGH einen Spruch des Landgerichtes Heidelberg. Der Rechtsentscheid ist nicht revidierbar und gilt nur für die alten Bundesländer. Der BGH ließ offen, was für die neuen Bundesländer gelte.

Der Rechtsentscheid wurde von Mieterorganisationen unterschiedlich bewertet. Norbert Eisenstein, Justitiar des Deutschen Mieterbundes, konnte keine große Veränderung erkennen. Zwar sei eine Modernisierung nun leichter durchzusetzen, wenn nur 60 Prozent aller Wohnungen den gleichen Standard haben müßten wie die betreffende Wohnung und nicht 90 Prozent. Jedoch bezögen sich die 90 Prozent auf den Gesamtbestand, die 60 Prozent jedoch nur auf den Altbau, so daß das zum Vergleich herangezogene Wohnungspotential das gleiche sei.

Anderer Meinung war man beim Berliner Mieterverein. Der Rechtsentscheid sei eine Schlechterstellung der Mieter, sagte Mietervereinsgeschäftsführer Hartmann Vetter. Denn bei der alten, unpräziseren Rechtslage sei es für modernisierungswillige Vermieter sehr schwer feststellbar gewesen, was überhaupt der übliche Ausstattungsstandard sei. Davon hätten Mieter profitiert, denen eine Modernisierung zu teuer gewesen war. »Nun wird die Herausmodernisierung von Mietern zunehmen«, sagte Vetter.

Unklar blieb, was das Urteil für Berlin bedeutet. Zum einen ist fraglich, ob nun Ost-Berlin — wo zweifelsohne nicht zwei Drittel der Wohnungen über Bad, Innentoilette und Zentralheizung verfügen — und West-Berlin quasi in einen Topf geworfen werden und ein Gesamtdurchschnitt der Ausstattung gebildet wird. Womöglich kommt aber nicht einmal der modernisierte Westberliner Altbaubestand an die Zwei- Drittel-Grenze heran, so daß die Mieter dort zumindest noch eine Zeitlang vor Mieterhöhungen geschützt sind.