Jedem sein eigenes Ei

■ »Liedstrich« mit einem gemischten Programm im SchwuZ in der Hasenheide

Wie eine wohlmeinende Naturforscherin beim ethnologischem Exkurs ins schwule Territorium kämpfe ich meinen Weg durch die enggedrängten Mannen, bin dann froh, einen Stehplatz hinter der letzten Stuhlreihe zu ergattern, und versäume im Eifer des Gefechts das Eröffnungsballett. Man(n) ist unter sich, Clubatmosphäre und Partystimmung zum Heimspiel. Das Publikum als Teil der Show kommentiert ungeniert das Geschehen, frenetischer Applaus und Buhgeschrei entscheiden über Weh und Heil der Artisten. Da fällt gleich zu Anfang eine in Ungnade: Rose van Valentijn, die mit geduldigem Wippen von wasserstoffblonder Perücke und Busen unterm Seidenblüschen zu Schlagerpotporieklängen schon meint, ein Travestiestar zu sein. Dilettanten sind gefragt heute abend, aber ein klein wenig genial sollten sie schon sein. Rose wagt den Eklat, nicht Trillerpfeifen noch tumultartige Zustände im Publikum vermögen sie vom Strip abzuhalten - durchhalten ist eben alles. Aufatmen bei Rosa Cavaliere - unter dem Motto »die Frau im Schaltjahr« besteigt der schwule Männerchor aus Berlin die Bretter. Man fühlt sich wohl im Kreise der Lieben, ist gänzlich unprätentiös in Jeans und Ledergürtel gewandt und läßt den Ansager mit Plastiktüte von Reichelt ans Mikrofon. Schlager der 70er - Rosen aus Malaga und Tränen, die nicht lügen und dann war da noch diese unvergessene Fahrt nach Lodz. Freude wie beim Schulfest zum bestandenen Abitur. Ganz dem Zeitgeist verschworen dringt hernach Österliches aus den Mündern der Ansagerinnen ans Zuhörerohr. »Wie im richtigen Leben habe ich nicht für jeden ein Ei...« - Melitta Poppe sprach's, um gleich darauf Chou-Chou de Briquettes hellseherisches Talent beim Identifizieren von Kinderüberaschungseiern unter Beweis zu stellen. Nur mit Hör- und Geruchssinn umkreist sie das magische Objekt, und dann steckt doch eine Autobahntrasse anstatt des Pinguins zwischen den Schokoladenhälften.

Höhepunkt des Abends ist Monty Adlon, Kabarettist und Geräuschimitator, unbestreitbar ein Talent — aber mit einem fatalen Hang zu anal- und klischeefixierten Geschmacklosigkeiten. Der Schwarzgewandte bringt in Gefolgschaft seines Pianisten Rainer Bielefeld derart Frauenfeindliches zu Gehör, daß mir angesichts wiehernder und schenkelklopfender Männerhorden zu Stewardess- und Jungfernwitze die Zoten Neuköllner Eckkneipen geradezu harmlos erscheinen. Eine Frau steht auf, beschwert sich mit zitternder Stimme und wird ausgelacht, die Front zwischen den Geschlechtern macht offenbar keinen Bogen um homosexuelle Enklaven. Weder Jürgen von den Enterbten, der seine Stripnummer als Liebeserklärung an die Frauen deklariert, noch das nette Quiz um handsignierte Melitta Sundström LP‘s und schon gar nicht — das falsche lesbische Pärchen — vermögen die Kluft wieder zu schließen.

Kleine Kostprobe - »ich hoffe das ist nicht frauenfeindlich« - aus dem Repertoire der Moderation: »Ein Pärchen sitzt auf der Bank - wir begeben uns jetzt auf heterosexuelles Territorium. Sie zu ihm: Ich heiße so ähnlich wie Muschi, bloß einen Buchstaben mußt du dir wegdenken. Darauf er zu ihr: Echt, heißt du Otze?« - Ham wir da gelacht... Antje Braunschweig