Im 2. Wahlgang kam Gottes Segen

Berndt Seite neuer Regierungschef in Mecklenburg-Vorpommern/ Beglückende Worte und politische Floskeln im Parlament/ Eine Werft für Rügen und erste Beurlaubungen in der Staatskanzlei  ■ Aus Schwerin B. Markmeyer

Schwerin (taz) — Gott hat viel zu tun in Mecklenburg-Vorpommern. „Mit Gottes Segen“ schickte der Schweriner Landtag gestern den neuen Ministerpräsidenten Berndt Seite (CDU) ins Amt und den gewesenen Ministerpräsidenten Alfred Gomolka (CDU) in die Wüste beziehungsweise zurück auf die Abgeordnetenbank. Innenminister Georg Diederich (CDU), einer der „schmucken Putschisten“ gegen Gomolka und ebenfalls aufrechter Christ, konnte sich nicht überwinden, in den Dankesapplaus für die Arbeit des gescheiterten ersten Landeschefs einzustimmen. Der ehrgeizige Bartträger war zum zweiten Mal mit seinem Ansinnen gescheitert, selbst auf dem Chefsessel des nordöstlichen Bundeslandes Platz zu nehmen.

Erst im zweiten Wahlgang war Seite mit 36 Stimmen bei zwei Enthaltungen zum neuen Landeschef gekürt worden. 28 Stimmen erhielt der SPD-Fraktionsvorsitzende Harald Ringstorff, den die oppositionelle SPD als Gegenkandidat aufgestellt hatte. Damit hatte Seite nicht nur alle Stimmen der CDU-FDP-Koalition, sondern auch die zweier Abgeordneter aus der Opposition erhalten. Im ersten Wahlgang hatten lediglich 33 Abgeordnete für den Tierarzt aus dem Kreis Röbel gestimmt, vier enthielten sich, zwei gaben ungültige Stimmen ab.

Nachdem Seite den Eid auf die Verfassung abgelegt hatte, beglückte er sein Land mit einer ersten Rede, die bereits sämtliche Polit- Floskeln enthielt, die seit dem Fall der Mauer vom Westen in den Osten diffundiert sind. Die „schmerzlichen Einschnitte“ in der darniederliegenden mecklenburgischen Industrie, auf den Werften und in der Landwirtschaft müßten „sozial abgefedert“ werden. Den üblichen Öko-Schlingerkurs von CDU-Regierungen faßte Seite in die Formulierung, die einmalige Landschaft des Nordens müsse „erhalten werden“. Einig mit dem hohen Hause sah sich der neue Ministerpräsident darin, „die Sicherung der Arbeitsplätze zu fordern“, bevor er schließlich fast allen Gruppen der Bevölkerung, angefangen von den älteren Arbeitslosen über Alleinerziehende bis hin zur Jugend seine besondere Unterstützung versprach.

Die anschließende Debatte zu den von der SPD geforderten Neuwahlen geriet sofort wieder zum parteipolitischen Streit. Eine Chance hatte der Antrag nicht. Nachdem sich CDU und FDP geschlossen dagegen ausgesprochen hatten, meldete auch der Sprecher der Linken Liste/PDS- Fraktion Bedenken an.

Auf einer anschließenden Pressekonferenz kündigte der neue Regierungschef für den heutigen Freitag einen Besuch bei den Werftarbeitern in Stralsund und Wolgast an. Zur Frage der Werftenprivatisierung bekräftigte er den Treuhand-Beschluß zugunsten einer internationalen Lösung als „gute Ausgangsposition“. Darüber hinaus begrüßte er ausdrücklich das Projekt einer neuen Großwerft auf der Insel Rügen. Ein weiterer Schwerpunkt seiner Arbeit sei die „aktive Sicherheitspolitik“. Außerdem kündigte Seite eine rasche Bildung seines Kabinetts an, das er auf der nächsten Landtagssitzung am 8. April vorstellen will. Zu seiner ersten Amtshandlung gehört dann die Beurlaubung von Mitarbeitern der Staatskanzlei, die schon unter Gomolka als teils inkompetent kritisiert worden war.

Schon am Mittwoch hatte sich ein weiterer Gomolka-Mann aus dem Kabinett verabschiedet: der wegen seiner Schulpolitik schon lange umstrittene Kultusminister Oswald Wutzke (CDU). Als seine Nachfolgerin wird momentan die Vorsitzende im Kulturausschuß des Landes, Heide Grossnick (CDU), gehandelt. Gegen den noch von Alfred Gomolka entlassenen Justizminister Ulrich Born (CDU) hat die Schweriner Staatsanwaltschaft unterdessen ein Ermittlungsverfahren eingeleitet.