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Ein kleiner Fisch in der Gosse

■ Eine unprätentiös erzählte Filmgeschichte von Manni, dem verhinderten Zocker Charly Weller drehte am Kamera-Rädchen, schnitt und machte auch sonst alles allein

Manni hat ausgespielt. Am Stammtisch genauso wie im Bett. Pech beim Kartenspiel und überhaupt kein Glück in der Liebe. Was er anpackt, mißlingt garantiert. Will er auftrumpfen und setzt er alles auf eine Karte, spielen ihn die Profis glatt an die Wand: Der geborene loser mit dem schlechtesten Blatt. Da hat es nichts gebracht, sich bis in die Libysche Wüste durchzuschlagen, wenn man hinterher aus dem letzten Loch pfeift und sich daheim mit einem miesen Taxijob über Wasser halten muß. Das dreckige bißchen Leben hat ihm ziemlich übel mitgespielt, doch Manni gibt nicht klein bei. Sein Versagen ist allzu menschlich und hat Stil. Den großkotzigen Gläubigern, die hinter der letzten Spielschuld her sind, kann er noch allemal ein Schnippchen schlagen. Ab und zu leistet er sich zumindest eine Portion Pommes in irgendeinem Imbißlokal. Als schließlich Suzanne eines Morgens zu ihm ins Taxi steigt, scheint sich das Blatt noch einmal zu wenden. Die junge Frau aus Pakistan, von einem Schlepper kurzerhand vor die Tür gesetzt, bringt Ordnung in seine versiffte Bleibe und etwas Wärme in das triste Einerlei. Ein Glück auf Zeit, denn von Luft und Liebe läßt sich nicht lange leben. Mehr als ein Job zum Anschaffen ist freilich nicht drin. Doch dazu kommt es nicht. Suzanne ist, nicht ohne vorher noch den Kadi auszuzahlen, wieder weg. Manni, wieder allein, macht sich nichts mehr vor und verbirgt den Blick hinter schwarzen Sonnengläsern.

Wie riesige Grabstelen ragen in Charly Wellers wunderbar melancholischem Debüt die Wolkenkratzer von Mainhattan in den fahlen Himmel. Trübe Aussichten für einen Tagträumer wie Manni, der ziellos auf dem naßkalten Asphalt von einer rauchgeschwärzten Spelunke zur anderen schlingert. Der Frankfurter Weller kennt das Terrain der passionierten Zocker, lächerlich kleinen Fische im Schatten der glänzenden Kapitaltempel, wo die Finanzhaie im Geld schwimmen und die wirklich großen Dinger drehen.

Mit ein paar Rollen überlagerten Rohfilm und einer uralten Bolex-Kamera, deren Federwerk alle zwanzig Sekunden aufgezogen werden muß, gelang ihm ohne staatlichen Förderungssegen ein ganz unspektakulärer und unprätentiöser Milieufilm. Wenn auch die Tonspur geradezu abenteuerlich schwankt und das grobkörnige Bild manchmal schemenhaft verschwimmt — der Blues, den Manni spielt, stimmt.

Beim Glücksspiel wieder mal total abgebrannt, geht er zur Schwester schnorren. Als die ihn entnervt fragt, wohin er denn eigentlich will, zuckt er bloß mit den Schultern: »Woannäs hin«. Am Schluß der ewigen Wanderschaft, bei der coolere Typen das Rennen machen, steht Manni am Frankfurter Hauptbahnhof. Auch wenn er mittlerweile mitbekommen haben müßte, daß kleine Fische wie er bei diesem Spiel nie zum Zuge kommen. Roland Rust

Schlammbeißer . Regie, Buch, Kamera, Schnitt, Ausstattung und Produktion: Charly Weller. Musik: Claus Dillmann. Mit Claus Dillmann, Sangeetz Bisnath u.a. Deutschland 1991, 16 mm, s/w, 84 Minuten. Im Vorprogramm: The Only Forgotten Take Of Casablanca Kurzfilm von Ch. Weller, 1983. Im Sputnik Südstern, Kreuzberg, sowie im Klick, Charlottenburg.

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