Die Geldwäscher von Wien

Wie der Fußballklub Rapid Wien mit FBI-Geldern über die Drogenmafia einen argentinischen Stürmer verpflichtete und das österreichische Bankensystem gehörig ins Wanken brachte  ■ Aus Wien Falk Madeja

Letzten Sommer schien die Lage des SK Rapid Wien nicht sehr rosig. Der stolze Trainer Hans Krankl mußte die Klub-Funktionäre sogar um löcherlose Trainingshosen für seine Kicker anbetteln. Seit Anfang der 80er Jahre machte der Verein jährlich mindestens zwei Millionen Schulden — Mark, nicht Schilling. Nur einen Meistertitel holte Krankl ins Hannapi-Stadion von Wien-Hütteldorf, und das letzte Pokalfinale vergeigte Rapid gar gegen einen biederen Zweitligisten. Eine Wiener Sport-Illustrierte schrieb: „Die Schwierigkeiten gleichen denen Rußlands bei der Einführung der Marktwirtschaft.“

Kurzum: es war Zeit, das Steuer herumzudrehen. Neue Rapid-Bosse kamen und drehten. Allerdings ein krummes Ding — mit Konsequenzen gleich für das ganze Land. Die USA fordern nun, eine Geldwaschanlage namens „Österreich“ stillzulegen.

Der Reihe nach: Im Sommer 1991 gab die gerade gegründete Rapid AG Aktien aus. Allerdings ist diese AG eine Konstruktion, gegen die selbst der Hamburger SV samt Hunke ein Ausbund an Seriosität ist. Die 1.000-Schilling-Aktie sackte in einem halben Jahr auf 500 Schilling ab. Mit den Geldern aus dem Aktienverkauf zahlte der Verein erstmal Altschulden in Höhe von 27 Millionen Schillingen (knapp vier Millonen Mark) ab. Dann versprachen die Klub-Oberen, zehn Millionen Schilling in neue Spieler zu investieren. Die Affäre nahm ihren Lauf.

Zunächst seien die Hauptdarsteller genannt. Gestatten, Adrian Czornomas, argentinischer Stürmer mit ukrainischen Vorfahren, teuerster Rapid-Einkauf aller Zeiten. Er sollte dem SK Rapid aus der sportlichen Klemme helfen, verlangte aber zusätzlich zur Ablösesumme 90.000Dollar Handgeld in bar.

Michael Margules (32), Jungbanker, dynamisch, ehrgeizig. Vorstand der Vindobona Privatbank, Erfinder und Chef der Rapid AG.

Skender Fani, Ex-Journalist, Anwalt, geheimnisvoll, schlitzohrig, geschäftstüchtig, Rapid-Vizepräsident.

Das FBI, die US-Steuerbehörde und das Palm Beach Sheriffs Department.

Ein paar amerikanische Ganoven: David Witter, Robert Kulander und James Bineau.

Das Land mit der besonderen Sparkultur

Star des Schauspiels: der letzte Staat der Welt, in dem es nicht illegal ist, Geld anonym auf Sparkonten zu bringen beziehungsweise anonym Wertpapiere zu kaufen: Österreich. Ein Land, so Kanzler Vranitzky, „mit einer besonderen Sparkultur“. Es gibt siebeneinhalb Millionen Einwohner in Österreich und dreimal so viele Sparbücher, auf denen die stolze Summe von 1.720 Milliarden Schilling (246 Milliarden DM) deponiert ist. In den USA, der UNO und der EG wird vermutet, daß sich nicht wenige Österreicher ein bißchen Kleingeld im Nebenjob „Strohmann“ verdienen.

Um die Weihnachtszeit 1991 machte Skender Fani seinen Freund Margules in Florida mit David Witter bekannt, einem erfolglosen Börsenbroker, der mit seinen Kumpanen Kulander und Bineau im Sommer vergangenen Jahres auf die hübsche Idee gekommen war, einen Drogenring aufzuziehen. Es dauerte nicht lange, bis Witter von Undercover- Agenten des Palm Beach Sheriffs Departments und der US-Steuerbehörde beobachtet wurde. Dabei entstand ein 17seitiges Papier, unter Verwendung von Tonbandprotokollen und Videoaufnahmen gefertigt, das sich wie ein Thriller liest. Witter und Kurlander prahlten vor den getarnten Agenten, daß sie „schon mehrmals 100.000 oder 200.000 Dollar nach Österreich gebracht“ hätten. Sie würden genau wissen, wie das geht.

Die US-Beamten bauten langsam die Falle auf und lernten dabei auch Margules kennen. Den Prokuristen und Mitbesitzer der Vindobona Privatbank schockte es keineswegs, als die Lock-Beamten immer mal wieder den Begriff „Drogen-Geld“ fallen ließen. Der 32jährige mit den „exzellenten Bankkontakten in Österreich“ erklärte die besonderen Vorzüge des österreichischen Bankensystems („Verschwiegenheit“) und schlug vor, die über die Cayman- Inseln geschleusten Dollars zunächst in Budapest gegen Schillinge einzutauschen.

Anfang Januar durfte Margules nach Hause fliegen, den Fahndern war „die Suppe noch zu dünn“. Von Wien aus telefonierte er mit den Undercover-Männern. James Bineau flog dann am 15.Januar mit 60.000 Dollar im Koffer nach Wien und ließ sich von Margules abholen, der das Geld prompt seinem argentinischen Flügelflitzer aushändigte. Dessen vertragliche Forderungen waren mit weiteren 30.000 Dollar vom Rapid- Konto dann befriedigt.

In New York schnappten die Handschellen zu

Mit der Annahme der 60.000 Dollar, die von den Fahndern im Zuge einer sogenannten „Sting-Operation“ eingesetzt worden waren, um Beweise für die Geldwäsche zu erbringen, war der Rapid-AG-Boß in die Falle getappt. Anfang März begab sich Margules, der sich zwischendurch bei den Agenten über „zu geringe Geldtransfers“ beschwerte, erneut in die USA. Als er wieder ausreisen wollte, schnappten in New York die Handschellen zu. Seine amerikanischen Komplizen kamen nach einigen Millionen Dollar Kaution wieder frei, Anwalt Skender Fani blieb in Wien unbehelligt. In Österreich ist der „Sting“, das aktive Verleiten eines mutmaßlichen Kriminellen zu einer strafbaren Handlung durch die Exekutive, ohnehin nicht gestattet.

Möglicherweise darf Michael Margules erst in 45 Jahren wieder dauerhaft ungesiebte Luft atmen, denn jetzt dient der junge Mann mit dem Hang zum Spektakulären den USA als Pfand, um gegen Österreich Druck zu machen. Schließlich gilt das Land in den USA schon lange als schwarzes Schaf in Sachen Geldwäsche, und auch der Vizepräsident der italienischen Anti-Mafia-Kommission, Maurizio Calvi, hatte den Alpenstaat bereits im November als „Fluchtland für illegales Kapital auf dem europäischen Kontinent“ und eine „Bedrohung für ganz Europa“ gebrandmarkt.

Passiert ist, anders als in der Schweiz, bisher nichts. Statt dessen gibt es, wie immer, wenn Österreich aus dem Ausland kritisiert wird, hektische und beleidigte Reaktionen. Die regierenden Parteien SPÖ und ÖVP haben vor allem große Angst, daß mit der Abschaffung des anonymen Bankkunden ihnen weitere Stimmen gegen den Rechtspopulisten Haider (FPÖ) verlorengehen würden.

Doch wenigstens Justizminister Nikolaus Michalek hat es begriffen: „Wir sollten den Leuten reinen Wein einschenken, daß mit dem Beitritt zum Europäischen Wirtschaftsraum die anonymen Sparbücher nicht mehr zu halten sind.“ Zu erwarten ist, daß irgendwann in nächster Zeit „über Nacht“ (Michalek) die Konten abgeschafft werden. Damit hätte Rapid Wien vielleicht das spektakulärste Ergebnis seiner Existenz erzielt. Leider gibt es dafür keine Bonuspunkte in der Meisterschaft.

Dafür muß sich der Fußballklub jetzt ordentlich verspotten lassen. „Sind die Rapidler wieder im Drillich angetreten?“ fragte der Mann im Studio des Österreichischen Radios trocken seinen Reporter im Stadion. Rapid Wien spielt seit jeher in längsgestreiften Trikots. Allerdings nicht — wie im Gefängnis — in schwarzweiß, sondern in der grünweißen Klubfarbe.