Ist Saddam Hussein zu Newroz in Kurdistan?

Dohuk (taz) — Ein Jahr nach dem kurdischen Aufstand gegen Saddam Hussein und die anschließende Massenflucht von rund 1,5 Millionen Kurden vor irakischen Truppen wächst in Irakisch-Kurdistan die Angst vor einem neuen irakischen Angriff. Kurden berichten, Saddam Hussein habe im irakischen Fernsehen unlängst angekündigt, das heutige kurdische Neujahrsfest „Newroz“ in Zakho an der türkischen Grenze verbringen zu wollen. Obwohl die irakische Armee als „kriegsmüde“ gilt, wird die Drohung von den kurdischen Peschmerga durchaus ernstgenommen. Die übergriffe irakischer Militärs gegen kurdische Stellungen häufen sich, und dem Schutz der in der Türkei stationierten Alliierten sind sie sich nicht sicher.

Der Vertreter der „Kurdischen Demokratischen Partei“ (KDP) in Dohuk, Fadhil Merani, berichtet von zunehmenden Angriffen irakischer Truppen gegen Kurden und Bombardierungen der von den Peschmerga kontrollierten Gebiete. Seit Anfang der Woche werde der Bezirk Shaykhan, zwischen Mossul und Aqra beschossen. Die Region Showan zwischen Kirkuk und der kurdischen Großstadt Suleymaniya sei von irakischen Hubschraubern bombardiert worden. Ständiger Konfliktherd ist die Gegend um Kalak, zwischen Mossul und Arbil. Hier soll es irakischen Einheiten kürzlich gelungen sein, kurzzeitig eine für die Kurden überlebenswichtige Versorgungsroute zu besetzten. Ziel der irakischen Angriffe ist vor allem eine Brücke über den Fluß Zab al-Kabir. Auch UN-Fahrzeuge sollen hier massiv behindert werden.

An verschiedenen Punkten entlang der Demarkationslinie zwischen den von Perschmerga und irakischen Truppen kontrollierten Landesteilen beobachteten Kurden auffällige Konzentrationen der irakischen Armee. Dafür, daß die Sorge vor einem erneuten Angriff der Iraker gegen die Kurden auch bis zu den Alliierten in der Türkei vorgedrungen ist, spricht die Zunahme der Kontrollflüge von amerikanischen und britischen Flugzeugen über dem Gebiet. Die Aufklärer, die bisher nur einmal täglich über Irakisch-Kurdistan donnerten, sind seit kurzem mehrmals zu hören. Kurdischen Beobachtern fiel auf, daß alliierte Hubschrauber seit einigen Tagen schwer bewaffnet sind.

Neben einer Großoffensive der irakischen Armee fürchten die Kurden Anschläge von aus Bagdad eingeschleusten Terroristen. Kürzlich ging in Suleymaniya, in unmittelbarer Nähe des KDP-Hauptquartiers eine Autobombe hoch. Bei der Explosion starben mehrere Menschen. In unmittelbarer Nähe saßen auch Mitarbeiter ausländischer Hilfsorganisationen. Bei einem ähnlichen Anschlag am vergangenenen Montag auf dem Markt von Arbil starben nach Angaben der „Patriotischen Union Kurdistans“ (PUK) 3 Menschen, 27 wurden verletzt. Die Peschmerga nahmen vier irakische Attentäter fest, bei denen es sich um ehemalige Angehörige des Geheimdienstes handeln soll.

KDP-Vertreter Merani fürchtet, daß die irakische Führung durch den zunehmenden Druck die geplanten Wahlen zu einem kurdischen Nationalrat verhindern will. Der Urnengang für das neue Gremium, daß auch über weitere Verhandlungen mit Bagdad entscheiden muß, wurde vorerst auf Ende April verschoben. Saddam Hussein erklärte unlängst im irakischen Fernsehen, er werde die Wahlen nicht zulassen, solange die Kurden nicht auf den Schutz der Alliierten verzichten. Den „Fremden“, so wird der Herrscher aus Bagdad von Kurden zitiert, sei es nicht erlaubt, „das Schicksal der Kurden zu bestimmen. Fremde bestimmen das Schicksal, wenn sie Menschen zu Sklaven machen.“ Hans Engels