Libysche Agenten an Arabische Liga?

Tripolis schlägt vor, mutmaßliche Lockerbie-Attentäter an die arabischen Staaten auszuliefern/ Liga-Generalsekretär Abdel Meguid fliegt nach Libyen, um über die Überstellung zu verhandeln  ■ Aus Kairo: Karim El-Gawhary

Die libysche Regierung will die beiden angeblichen Lockerbie-Attentäter der Arabischen Liga überstellen. Nach libyschen Angaben ist es dann Sache der Liga zu entscheiden, was mit den beiden Mitarbeitern des libyschen Geheimdienstes geschehen soll. Die britische und die amerikanische Regierung verlangen die Auslieferung des 39jährigen Ali al-Megrahi und des 37jährigen Amin Khalifa Fimah, die für den Absturz des PanAm-Jumbos über dem schottischen Ort Lockerbie 1988 verantwortlich sein sollen. Der Generalsekretär der Arabischen Liga, der Ägypter Esmat Abdel Meguid, flog gestern von Kairo nach Tripolis, um mit der libyschen Führung über die Modalitäten der Auslieferungen zu verhandeln.

Der Vertreter Libyens bei den Vereinten Nationen, Huderi, verkündete die überraschende Entscheidung seines Landes, kurz bevor der UN-Sicherheitsrat am späten Montag abend über ein Militär-Embargo und den Boykott der Luftfahrt gegen Libyen beraten sollte. Der Sicherheitsrat verschob daraufhin seine Beratungen auf einen unbestimmten Zeitpunkt. Huderi reagierte mit dem libyschen Einlenken auf einen Vorschlag des UN-Generalsekretärs Butros Ghali, die beiden Männer im Beisein eines UN-Vertreters an die Arabische Liga zu überstellen.

Bisher schweigt sich die libysche Regierung über detaillierte Konditionen der Auslieferung aus. Vor seiner Abreise traf sich Meguid noch mit einem Komitee, das die Liga am Sonntag zur Behandlung der Libyen- Affäre eingerichtet hatte. Dort trafen sich Vertreter aller arabischen Staaten Nordafrikas und ein Repräsentant Syriens. Das Komitee soll die weiteren Schritte der Liga koordinieren.

Die Liga hatte am Sonntag in Kairo beschlossen, den UN-Sicherheitsrat zu einer Verschiebung seiner Entscheidung zu veranlassen. Es sollte abgewartet werden, bis sich der Internationale Gerichtshof in Den Haag am Donnterstag mit der Affäre befaßt. Hinter den Kulissen scheinen die Liga und besonders die Nachbarländer Libyens starken Druck auf die libysche Führung ausgeübt zu haben, um sie noch vor einem Beschluß des UN-Sicherheitsrates zum Einlenken zu bewegen. Es kam zu einer Reihe von Gesprächen. Unter anderem traf sich der ägyptische Präsident Mubarak bereits am Montag mit dem libyschen Ministerpräsidenten Abu Zid Amr Darduh in Kairo. Nach anfänglich starken Tönen der Solidarität mit Libyen, war am Montag aus Kairo nur noch eine abgeschwächte Version zu hören. Der ägyptische Außenminister Amr Musa ließ nach seinem Treffen mit dem libyschen Ministerpräsidenten verlauten, daß die Entscheidung der Arabischen Liga auf zwei Grundlagen getroffen worden sei. Erstens lehne die Liga entsprechend internationalem Recht jegliche Art von Terrorismus ab. Zweitens sollte die Entscheidung des Sicherheitsrates herausgezögert werden. Alles weitere läge in der Entscheidung Tripolis. Über mögliche Konsequenzen der Arabischen Liga im Falle eines Embargos gegen Libyen war in Kairo nichts zu erfahren. Warscheinlich reagierte die libysche Regierung mit ihrem Auslieferungsangebot auf die Tatsache, daß ihr langsam der arabische Boden unter den Füßen weggezogen wird.

Die britische Regierung reagierte auf das Angebot mit Skepsis.„Was wir wollen, ist, daß die beiden mutmaßlichen Attentäter der Justiz in Schottland oder den USA überstellt werden. Wir werden sehen, ob das neue libysche Angebot genau dies beinhaltet“, sagte Außenminister Douglas Hurd in einem Radiointerview. Libyen habe schon viel versprochen und nicht eingehalten.

Die schottischen und amerikanischen Untersuchungsbehörden überraschten die Welt im November vergangenen Jahres mit dem Haftbefehl gegen die libyschen Agenten. Die Anklage lautet auf Verschwörung, Mord und Verletzung der Sicherheitsbestimmungen im Flugverkehr. Sie wurde gleichzeitig in Washington und Edinburgh veröffentlicht. Ob die mutmaßlichen Attentäter in den USA oder Schottland vor Gericht gestellt werden sollen, ist noch nicht entschieden.