Produktpiraten wandern gen China aus

■ Volksrepublik löst Thailand und Indonesien als Hochburg der Markenklamottenfälscher in Asien ab

Hongkong (ips) — Die Volksrepublik China ist auf dem besten Weg, zum Zentrum der Piratenindustrie in Asien zu werden: Gewiefte Händler aus Hongkong und Taiwan, wo die Kontrollen bereits verschärft wurden, sollen hinter der Expansion der Produktion von falschen Markenprodukten — beliebte Fälscherobjekte sind vor allem Levi's-Jeans — auf dem chinesischen Festland stecken.

Anfang des Monats beschlagnahmten die Zollbehörden der britischen Kronkolonie Hongkong gefälschte Markenjeans im Wert von einer Million US-Dollar. Sie befanden sich gerade auf dem Weg von China nach Lateinamerika, einem der wichtigsten Exportmärkte für asiatische Copyright-Piraten. Nach Auskunft der Behörden handelte es sich nicht um einen Einzelfall. China dürfte als Fälscherhochburg nun Thailand, Indonesien und die Philippinen ablösen.

In Hongkong und Taiwan wurde bereits Mitte der 80er Jahre zum Kampf gegen die Fälscherindustrie geblasen, nachdem westliche Regierungen ihren Druck verstärkt hatten. Die Kontrollen in beiden Exportmetropolen gelten seither als durchaus wirksam. Tatsächlich, heißt es hier aber, verlegten sie ihre Fertigungsbetriebe lediglich einige Kilometer weiter über die Grenze aufs Festland, wo Copyright-Vorschriften lax und Strafmaßnahmen bis vor kurzem praktisch unbekannt waren.

„Wir sind besorgt über das, was auf der anderen Seite der Grenze in China geschieht“, sagt Tom Gray, ein US-Zollbeamter in Hongkong. Was Gray vermutet, bestätigt auch Ken Allen, ein Mitarbeiter der internationalen Detektei „Factfinders“, die sich darauf spezialisiert hat, Markenprodukt-Fälschern auf die Spur zu kommen.

„Hongkong war noch bis vor zehn Jahren ein bedeutendes Zentrum der Markenfälschung“, erläutert Allen. „Dann wanderten die Fälscher nach Thailand, Indonesien und auf die Philippinen ab. Etwa ab dem letzten Jahr registrieren wir einen neuen Trend, eine Zunahme der Copyright- Verletzungen in China.“ Immer öfter müssen die „Factfinders“ im Auftrag westlicher Hersteller nach China geschickt werden.

Die Gesetze in China seien zwar nicht sehr streng. Der wirkliche Motor hinter dem Geschäft sind aber Händler aus Hongkong und Taiwan, ist sich Simon Cheetham sicher, leitender Direktor von „Pinkertons Security Consultants“, einer der weltgrößten privaten Detekteien.

Die ausländischen Händler nähmen Aufträge an und ließen sie in Fabriken auf dem Festland ausführen, wobei sie laut Cheetham durch rasche Standortwechsel einer Entdeckung entgehen könnten.

In Hongkong bearbeitet „Pinkertons“ im Monat etwa 100 Copyright- Verletzungen. In fast der Hälfte der Fälle führt die Spur in die Volksrepublik. In Thailand sind es monatlich 50 bis 60 Anzeigen, in Taiwan rund 80.

Die Verlagerung der Piratenindustrie nach China erfolgt im Rahmen einer generellen Abwanderung der Hongkonger Unternehmen seit Anfang der 80er Jahre, die vor allem auf die niedrigeren Lohnkosten zurückgeführt wird. 20.000 Firmen dürften in den letzten Jahren ihren Standort auf die andere Seite der Grenze verlegt haben.

12.000 davon, lauten Schätzungen, sind in Copyright-Verletzungen verwickelt. Am beliebtesten sind Markenbekleidung, Sportbekleidung und Sportartikel, Elektronikprodukte, Uhren und Lederwaren.

Der Umfang der Beschlagnahmungen durch die Hongkonger Zollbehörden verdeutlicht das rasche Wachstum der Piratenindustrie in China. 1991 erreichten die konfiszierten Textilien und Sportartikel einen Wert von 8,85 Millionen US- Dollar, 18Prozent mehr als im Vorjahr. Bei Sportschuhen lag die Ziffer sogar doppelt so hoch.

Was den Behörden entgeht, wandert per Schiff in alle Welt, vor allem aber nach Osteuropa und Lateinamerika. Dort ist Panama die erste Anlaufstelle, sagt Cheetham. Eine neue Route verläuft allerdings über die chinesische Nordgrenze durch das Territorium der ehemaligen Sowjetunion bis nach Osteuropa. In beiden Regionen sind Markenjeans, vor allem „Levi's“, am besten zu verkaufen. Rund eine Million falsche Levi's werden pro Monat in China hergestellt, sagen Branchenvertreter.

Die Regierung in Peking hat zwar unterdessen auf Druck aus Washington reagiert und versucht, die Copyright-Verletzungen hintan zu halten. Die Staatsverwaltung für Industrie und Handel (AIC) organisiert Razzien und beschlagnahmt gefälschte Produkte. Cheetham zeigt sich jedoch skeptisch: Nach der Razzia werde die Produktion bloß in einen anderen Betrieb verlegt und gehe ungestört weiter. Yojana Sharma