Erneut kein Grund zur Panik

■ Nach dem Reaktorunfall arbeiten wieder die Meßgeräte — zur Beruhigung gibt es Infos per Telefon

Nur keine Panik nach dem Reaktorunfall bei Petersburg. Wir haben alles im Griff. So in etwa lautete auch gestern wieder die Botschaft aus Moskau, Bonn und Wien. Umweltministerien und PolitikerInnen haben für die Beruhigung ihrer WählerInnen keinerlei Mühe gescheut. So versicherte die russische Regierung noch am Dienstag abend, eigentlich sei der Zwischenfall viel ungefährlicher als zunächst behauptet. Eilig stuften sie ihn auf der Skala der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO) von drei auf Kategorie zwei herunter. Anschließend wurde die Behörde in Wien offiziell informiert. Nur so „für alle Fälle“ ordnete die St.Petersburger Schulbehörde allerdings an, die Kinder gestern nicht im Freien spielen zu lassen.

Auch in Wien ließ man sich nicht lange bitten. Ein „Service-Telefon“ wurde eigens von der Stadtverwaltung eingerichtet, wo die Bevölkerung alle verfügbaren Informationen über den Zwischenfall bei St. Petersburg und seine Auswirkungen einholen kann. Ob diese Anlage in guter Voraussicht installiert wurde, blieb ungeklärt. Das wird sich spätestens dann zeigen, wenn Wien selbst mit Atomstrom aus Tschernobyl-Reaktoren der ehemaligen UdSSR versorgt wird.

Auch in der Bundesrepublik arbeiten die Meßgeräte seit fast zwei Tagen „im Intensivbetrieb“, teilte gestern Umweltminister Töpfer mit. An insgesamt 2.000 Meßstellen werde rund um die Uhr Radioaktivität in der Luft gemessen. Das Ergebnis: Die 10 Millibequerel pro Kubikmeter Luft waren bisher nicht umstritten. Was allerdings kein Wunder ist, denn der Deutsche Wetterdienst in Offenbach meldet „Luftmassentransport in Richtung Osten“. In der Gesellschaft für Strahlenschutz in Wuppertal warnt man dennoch „vor voreiliger Verharmlosung des schweren Reaktorunfalls in Sosnovy Bor“. Angesichts der widersprüchlichen Meldungen aus Rußland stehe derzeit lediglich fest, daß eine „nicht unerhebliche“ Menge radioaktiver Edelgase in die Umwelt freigesetzt worden sei. bz