Pelztierzüchter sterben aus

■ Einer der letzten Züchter Niedersachsens will mangels Absatz seine 5.000 Nerze zu Tierfutter verarbeiten lassen

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Tierfoto

„Ich sehe keine Zukunft mehr, und deshalb wird im Herbst endgültig abgepelzt.“ Der Mann, der das sagt, ist einer der letzten Pelztierzüchter in Niedersachsen. Noch in den 80er Jahren war Niedersachsen das Zentrum der Pelztierzucht in Westdeutschland. Dutzende von Pelztierfarmen, vorwiegend in der Region Cuxhaven, züchteten Nerze und Füchse und trugen deren Fell zu Markte. Während die Kürschner für 1991 eine Umsatzsteigerung von 12,3 Prozent meldeten, sterben die deutschen Pelztierzüchter aus. 1986 verzeichnete der Zentralverband der deutschen Pelztierzüchter in Hannover noch 300 größere Zuchten, dazu kamen etwa 350 in der damaligen DDR. Heute schätzt Verbandspräsident Alfons Grosser ihre Zahl in Deutschland insgesamt auf weniger als 120.

Seit den 50er Jahren hält der niedersächsische Züchter G., der nicht namentlich genannt werden möchte, Nerze. In guten Zeiten bekam er 80 bis 120 Mark pro Rohfell. Heute sind es bei den Auktionen in Dänemark noch 20 bis 30 Mark, Tendenz fallend. Davon gehen noch mal 12 bis 15 Mark für das Entfetten, Trocknen und Gerben ab. „Jedes Fell bedeutet für mich einen Verlust von über zehn Mark“, klagt er.

1989 wurden auf dem Weltmarkt noch über 50 Millionen Edelpelze gehandelt, heute ist es noch die Hälfte. Millionen von Fellen lagern in den Kühlhäusern in Dänemark, Finnland, Rußland und den USA. Trotzdem glaubt Grosser, selbst Züchter, ebenso wie der Kürschnerverband, daß die „Konsolidierungsphase“ nun abgeschlossen sei. Bisher hätten die deutschen Züchter von dem leisen Aufschwung noch nicht profitiert. „Heute haben die sieben niedersächsischen Züchter rund 7.000 Zuchtnerze. Aber 1993 werden es schon 30.000 sein“, gibt er sich optimistisch. Züchter G. kann diese Zuversicht nicht teilen. Der dänische Auktionator hat ihm in einem Rundbrief gerade mitgeteilt, daß mit einem Preisrückgang von zehn Prozent im Vergleich zum Vorjahr gerechnet werde.

Es gebe viel Gründe für den Niedergang, meint G., der rund 1.000 Fähen (Weibchen) und 250 Rüden hält. Oft sei es der fehlende Nachwuchs im Züchter-Handwerk. Dazu sei die starke Konkurrenz aus Skandinavien und den Niederlanden gekommen. Das Überangebot habe die Preise kaputtgemacht. Die Kosten für das Futter seien kräftig angestiegen. Seit den 80er Jahren hätten auch die Tierschützer ihren Teil zum Niedergang beigetragen. G.'s Ehefrau erinnert sich noch immer mit Schrecken an eine Demonstration vor der Farm und freut sich auf das Ende der Pelztierzucht: „Jahrelang durfte man nicht sagen, womit man sein Geld verdient. Wir haben ja nur noch den Kopf eingezogen.“

Im Januar appellierte der niedersächsische Tierschutzbeirat an Landwirtschaftsminister Karl-Heinz Funke (SPD) als „obersten Tierschützer“, sich dafür einzusetzen, daß kein Tier zur Produktion von Luxusartikeln gehalten oder getötet werden dürfe. Hessen hat am 14. Januar eine Bundesratsinitiative zum Schutz von Pelztieren gestartet. Die darin geforderten Haltungsbestimmungen würden die Zucht in Deutschland endgültig unwirtschaftlich und damit unmöglich machen, meint G. Tierschutzverbände klagen das „millionenfache Leiden“ der in kleinen Drahtkäfigen gehaltenen Nerze, Füchse und Nutrias an. Die Initiative „Mitgeschöpflichkeit ins Grundgesetz“ forderte am 25. Februar die Verankerung des Tierschutzes im Grundgesetz.

Tierschützer weisen auf Verhaltensstörungen der Farmtiere hin. In ihrer natürlichen Umgebung seien die Tiere Einzelgänger, die zudem, wie Nerz und Nutria, sich viel im Wasser bewegten. Eine Anpassung an die Käfighaltung sei nicht möglich.

Der Veterinärmediziner Hans-Christoph Löliger aus Celle verteidigt die Pelztierzucht als „ethisch und moralisch gerechtfertigt“. „Die Tötung von Tieren zur Fellgewinnung ist gleichberechtigt der Tötung von Tieren zum Zwecke der Ernährung“, schreibt er in der Verbandszeitschrift „Der Deutsche Pelztierzüchter“ im Herbst 1991. Die Käfighaltung lasse auch nach mehreren Jahren bei Zuchttieren „keine Anzeichen irgendwelcher, aus längerfristiger Beeinträchtigung herrührende Verhaltensstörung mit klinisch manifesten Folgen erkennen“, heißt es an anderer Stelle.

Ein Pelzmantel kostet etwa 50 Nerzen oder 26 Karakul-Lämmern (Persianer) oder zwölf Wölfen das Leben. Rund 16 Millionen Felle wurden 1991 nach Deutschland eingeführt. Der Anstieg der Importe um 25 Prozent im Vergleich zu 1990 wurde durch einen neuen Trend zum Pelz ausgelöst. „Der Pelz, vor allem als Besatz von Krägen, Kapuzen und Manschetten ist stark im Kommen“, stellt Margarete Lohr vom Deutschen Mode-Institut in Frankfurt fest. Die Nachfrage nach Kunstpelz habe nachgelassen.

Doch für viele deutsche Pelztierfarmen kommt dieser Trend zu spät. Im Dezember wird Züchter G. seine dann über 5.000 Nerze mit Kohlendioxid töten. Die Kadaver werden zu Tierfutter verarbeitet. Gewissensbisse? „Nein, kein Bauer wird sich mit einem Kuß von seiner Sau verabschieden“, sagt er. Hans-Ekkehard Brozeit vom Tiergesundheitsamt Oldenburg, betreut seit 27 Jahren Pelztierfarmen im westlichen Niedersachsen. Er ist sicher: „Die letzten werden bald schließen müssen.“ Matthias Benirschke (dpa)