Wer mit dem One-Way-Ticket in die Ferne will...

■ Das Raphaels-Werk in der Bremer Rembertistraße gibt Ratschläge fürs Auswandern / Japanisch-Lehrer oder Physiotherapeutinnen haben wirklich gute Chancen

Up, up and away! Wer hat nicht schon mal daran gedacht, diesem naßkalten Land den Rücken zu kehren? Für die, die es nicht beim Träumen belassen, sondern mit einem Oneway-Ticket in der Tasche auswandern, umsiedeln, im Ausland arbeiten oder eine(n) AusländerIn heiraten wollen, gibt es das „Raphaels-Werk Bremen — Dienst am Menschen unterwegs“: Bei dieser Unterorganisation der katholischen Caritas bekommt jeder Informationen über Einwanderungsbestimmungen und Arbeitserlaubnisse, Hilfe bei Anträgen und — bei Bedarf — Gespräche über das Leben in einer anderen Kultur.

Flucht unmöglich: Mit dem Auswandern geht die Bürokratie erst richtig los

„Es kommen viele gerade frisch aus dem Urlaub und sagen: Da will ich leben“, erzählt die Sozialarbeiterin Cornelia Banisch, die seit zwei Jahren im „Raphaels-Werk“-Büro an der Rembertistraße arbeitet. „Das stellen sich viele zu einfach vor.“ Da sei zum Beispiel auch die Frau gewesen, die weg wollte, weil sie von der deutschen Bürokratie „total abgenervt“ war: Dabei geht es beim Auswandern mit der Bürokratie erst richtig los.

Denn dann heißt es nicht nur einen Papierwust zu bewältigen, Anträge zu stellen und oft lange Wartezeiten zu überwinden, sondern auch Punkte zu sammeln: „Der Staat will schließlich einen Nutzen aus den Einwanderern haben“, erklärt Banisch. Also muß man sich gut verkaufen: In einem Interview werden Sprachkenntnisse überprüft; der Interviewer versucht außerdem, sich einen persönlichen Eindruck zu machen: Wie könnte sich die Bewerberin in das Land einfügen? Anhand einer Punkteskala wird dann entschieden, ob der Antrag angenommen oder abgelehnt wird. Mit zum Wichtigsten gehört dabei die berufliche Qualifikation.

Sie sind Sprachlehrerin für Japanisch? Dann kommen Sie der australischen Regierung gerade recht. Zur Zeit dürfen es außerdem noch PhysiotherapeutInnen, RöntgenassistentInnen oder MathelehrerInnen sein. „Natürlich hatte ich auch schon das Gefühl, daß jemand eigentlich überhaupt nicht geeignet ist“, sagt die Auswanderungsberaterin. Aber die Idee ausreden — „das ist nicht meine Aufgabe. Für mich ist es nur wichtig, daß die Leute aus der Beratung heraus einen Entschluß fassen können.“ In einer längeren Beratung weist sie allerdings schon auf Schwierigkeiten hin, die im fremden Land als AusländerIn auftreten können: „Es ist einfach etwas anderes, irgendwo Urlaub zu machen, oder dort zu leben.“

AussteigerInnen gehören ebenso zu den Kunden des „Raphaels-Werk“ wie StudentInnen, die ein Jahr im Ausland studieren wollen oder ArbeitnehmerInnen, die von ihrer Firma in eine Niederlassung im Ausland versetzt werden. „Die wollen sich nochmal von neutraler Seite informieren — auch wenn ihre Firma sagt, das sei alles ganz einfach.“ Und wer sich selbst einen Job bei einer ausländischen Firma gesucht hat, kann von Cornelia Banisch seinen Arbeitsvertrag überprüfen lassen: „Da will jemand zum Beispiel in einem afrikanischen Land arbeiten — und hat einen Arbeitsvertrag bekommen, wo völlig unklar ist, wann eine Kündigung eintreten kann. Möglicherweise wird der nach drei Monaten gefeuert, und es gibt im dortigen Arbeitsrecht nichtmal die Möglichkeit zu klagen.“ Zu klären ist auch, ob der hiesige Berufsabschluß im Ausland überhaupt anerkannt wird. Und, und, und.

Die meisten Ratsuchenden sind Flüchtlinge nach Ablehnung ihres Asylantrags

Der Hauptteil der knapp 900 Ratsuchenden, die das „Raphaels-Werk Bremen“ im letzten Jahr betreut hat, waren aber nicht deutsche Auswanderer, sondern Flüchtlinge, die zum Beispiel nach Ablehnung ihres Asylantrages in Deutschland in ein drittes Land „weiterwandern“ wollten. „Ich versuche, die Flüchtlinge ihren Chancen entsprechend zu beraten“, sagt Banisch. Die Hürden, die es im normalen Verfahren zu überwinden gilt, sind oftmals durch spezielle Einwanderungsprogramme zu umgehen. Die USA bieten derzeit ein Programm für Christen aus dem Iran oder für IrakerInnen an. Bis August 1989 lief ein Osteuropa-Programm der kanadischen Regierung. Und bis Ende April gibt es eine Einwanderungsmöglichkeit für Kriegsflüchtlinge aus Slowenien und Kroatien nach Australien.

Für alle Programme gilt: Es sind spezielle Bedingungen zu erfüllen — und die können in der Auswanderungsberatung gecheckt werden. „Wenn jemand bei der kanadischen Botschaft einen Einwanderungsantag stellt, obwohl von vorneherein klar ist, daß er abgelehnt wird, sind 570 Mark zum Fenster hinausgeworfen.“ Soviel kostet die Prozedur für die BewerberInnen nämlich.

Das Hauptproblem bei Flüchtlingen ist aber die lange Wartezeit, die auch schon mal zwei Jahre betragen kann: Die Abschiebung aus Deutschland droht. Dann tritt Banisch in Kontakt mit der zuständigen Ausländerbehörde, um eine längere Duldung zu erwirken. „Mit der Bremer Ausländerbehörde habe ich da gute Erfahrungen gemacht. Die sind bereit, im Rahmen ihrer Kompetenz zu helfen.“ Im Unterschied zu den Kollegen aus Rothenburg zum Beispiel. Dann liegt der bewilligte Antrag irgendwann auf dem Schreibtisch — und der Flüchtling ist längst abgeschoben, niemand weiß, wo er ist. Susanne Kaiser