Türke übernahm ersten ostdeutschen Betrieb

■ Türkisches Wirtschaftsleben in Berlin (Teil 6 ): In Elstal kaufte ein türkischer Unternehmer einen Fleischbetrieb von der Treuhand/ Probleme mit lokalen Behörden/ Genehmigung von Stellplätzen und Beschaffung von Wohnraum verzögert

Elstal. Auf die Idee, einen ostdeutschen Betrieb zu kaufen, kam Hatem Duman eher zufällig. Ein Kunde aus dem Berliner Umland, den er seit geraumer Zeit mit Döner-Kebab belieferte, erzählte ihm von einem Fleischverarbeitungsbetrieb in Elstal, rund zehn Kilometer östlich von Berlin-Staaken. Das war im vergangenen Jahr. Daraufhin setzte sich Duman mit der Treuhand in Verbindung, und nach monatelangen Verhandlungen konnte er schließlich das 3.700 Quadratmeter große Gelände kaufen und Mitte November in Betrieb nehmen. Damit ist Duman — so verzeichnet es die Verkaufliste der Treuhand — bisher der einzige türkische Unternehmer, der einen ostdeutschen Betrieb zu hundert Prozent übernahm. Ein Wagnis, wie der 53jährige offen zugibt: »Manchmal habe ich gar nicht mehr Zeit, mich um andere Dinge zu kümmern, ich komme morgens um sieben und gehe nachts um zwölf.« Die Aufgaben, die Duman zu lösen hat, sind gewaltig. Die Anlage — zu DDR-Zeiten ein Teilbetrieb des Fleischkombinats Potsdam — ist völlig heruntergekommen. Nicht nur die Maschinen sind hoffnungslos überaltert, auch die einzelnen Gebäude wirken alles andere als robust. Um den Betrieb, der sich nun »Märkische Fleischverarbeitung Elstal« nennt, auf den Hygienestandard der EG zu bringen, sind nach Dumans vorsichtigen Schätzungen Investitionen in Höhe von zwei Millionen Mark notwendig. Vieles, wie eine neue Halle, wurde mittlerweile mit Hilfe von Familienmitgliedern hochgezogen. Kosteneinsparung: 150.000 Mark. Auch eine Bäckerei mit modernstem Gerät wurde eingerichtet. Dort wartet nun — nach einem inzwischen erfolgreich durchgeführten Probelauf— ein Backofen türkischer Herstellung auf seinen endgültigen Einsatz. Denn neben der Fleischverarbeitung plant Duman auch, deutsches und türkisches Brot zu produzieren. Zehn bis fünfzehn Arbeitsplätze will er so allein in der Bäckerei schaffen. Mit dem Erwerb des Elstaler Betriebes steht Duman vorläufig am Ende eines steilen Aufstiegs, der vor fünfzehn Jahren mit einem kleinen Gemüse- und Fleischladen in Kreuzberg begann und heute sieben Betriebe umfaßt, allesamt im Handels- und Gastronomiegewerbe. »Die Basis unseres Erfolges war unsere Familie, neun Jahre lang hat keiner von uns Urlaub gemacht«, erklärt Duman. Und seine Familie ist groß: elf Kinder, von denen viele inzwischen geheiratet haben und samt Anhang in den Duman-Familienbetrieb eingestiegen sind.

Den Kauf in Elstal sieht er auch als ein Symbol dafür, »daß die Kinder, die hier aufgewachsen sind, richtig seßhaft werden wollen«. Die Familie, der Clan regelt das private und wirtschaftliche Leben im Kreise der Dumans. Auch sein mittlerweile in der Türkei lebender ältester Sohn bringt die Erträge in den gemeinsamen Familienfonds ein. »Alle zahlen ein und jeder nimmt sich, was er braucht«, benennt er die Regeln. Bei allen wichtigen Entscheidungen, trotz rechtlicher Trennung der Familienbetriebe, hat Duman jedoch weiterhin das letzte Wort: Betriebswirtschaft auf orientalische Art.

Die Familie ist es auch, die derzeit dem Betrieb in Elstal finanziell unter die Arme greift. So armselig wie der Ort sieht es nämlich auch in den Kassen des Elstaler Betriebes aus. »Wir schreiben zur Zeit Verluste und wären schon froh, wenn die Ausgaben die Einnahmen decken würden«, sagt er. Immerhin sind derzeit monatlich dreizehn Angestellte, allesamt Deutsche, auszuzahlen. Duman beteuert, mit ihnen keine Schwierigkeiten zu haben. Mehrmals die Woche würden sogar Elstaler und Bewohner aus der Umgebung vor der Tür stehen und sich nach Arbeit erkundigen. Allerdings weiß Duman, daß ehemalige Angestellte sich nach der Wiedereröffnung weigerten, für einen türkischen Unternehmer zu arbeiten. »Klar hört man so was«, bestätigt der Fleischergeselle Jörg Fehrmann, seit 1980 dabei, die Vermutungen seines neuen Chefs. »Aber solange das Geld stimmt, ist mir das egal, deshalb geht man doch arbeiten«, beendet er, von der Frage nach der Ausländerfeindlichkeit im Ort unangenehm berührt, das Gespräch.

Die Hindernisse, mit denen Duman zu tun hat, kommen vor allem von den Behörden aus der Umgebung. »Manche Bürgermeister verhalten sich wie Könige«, erzählt er. Vor allem bei der Genehmigung von Stellplätzen für den Verkauf der Fleisch- und Wurstwaren gibt es immer wieder Probleme. Die Stellplätze sind jedoch existentiell, um den Kundenstamm, der durch die monatelange Schließung vor Dumans Übernahme verlorenging, wieder aufzubauen. Auf einigen Ämtern mußte Duman die Erfahrung machen, daß Anträge trotz mündlicher Zusage nicht bearbeitet werden. Allein in Falkensee machte er sieben Stellplätze aus, wo er Fleisch verkaufen könnte — doch nichts geschah. Duman beschleicht angesichts der Erfahrungen das Gefühl, daß »einige Behörden nicht wollen«. Bei Anrufen schickt er grundsätzlich seine deutschen Angestellten vor: »Ich müßte bei vielen erst einmal die Vorurteile abbauen, das ist wirklich zu mühsam auf Dauer.«

Der emsige Geschäftsmann versuchte gar, ostdeutschen Verkaufsläden eine fünfzigprozentige Beteiligung anzubieten. Vergeblich. Auch bei der Beschaffung von Wohnraum wird abgeblockt. Dabei ist Eile angesagt, sollte die Bäckerei bald ihren Betrieb aufnehmen: »Wir können doch nicht unseren Mitarbeitern aus Berlin zumuten, um ein Uhr morgens nach Elstal zum Backen zu fahren«, sagt er. Nicht überall ist es der bloße Unwille, der ihm begegnet. In manchen Gemeinden hat er festgestellt, daß Politiker zwar hinter vorgehaltener Hand ihm durchaus Sympathien entgegenbringen. Doch die Angst vor der nächsten Wahl, so glaubt er, verhindere dann ein offenes Bekenntnis. Mehr noch als in West- Berlin hat er hier den Eindruck gewonnen, ein ungeliebter Gast zu sein. »Die haben irgendwie Angst — keiner sagt das offen, aber man spürt es doch —, daß sich die Ausländer hier ausbreiten könnten«. Severin Weiland

Die Serie wird fortgesetzt