Suggestiv wie ein 3-D-Film

■ »Spiel mir das Lied vom Leben« von Ulrike Dietmann am bat-Studiotheater

Liebe auf den ersten Blick empfand Regiestudentin Maike Techen für das Stück Spiel mir das Lied vom Leben. Unter ihrer Leitung wird das Erstwerk von Ulrike Dietmann am bat-Studiotheater uraufgeführt. Dem liegt eine bisher einmalige Zusammenarbeit der HdK, Fachbereich Darstellende Kunst, mit dem bat-Regieinstitut zugrunde. Die Autorin hat an der HdK szenisches Schreiben gelernt. Maike Techen wurde ihr Handwerk am bat vermittelt.

Der Titel weckt Erinnerungen an Western und rechtsradikale Wahlwerbung, aber das ist schon zu weit gedacht. Es geht um das echte Leben. Das Denken kann man als Zuschauer an der Garderobe abgeben — entweder man läßt sich ganz auf die Gefühle ein, mit denen man nun anderthalb Stunden lang vollgepumpt wird, oder man schreibt diesen Theaterabend ab. Wer sagt, daß die Fragen des Lebens nur intellektuell erschlossen werden können — mit dem Leben ist es das alte Lied. Spätestens nach der ersten Szene spürt man, daß Alex, männlich, und Monkey, weiblich, schließlich heiraten oder sich umbringen werden, und daß beides auf das gleiche hinausläuft.

Monkeys fünfter Satz auf der Bühne lautet: »Ich liebe Dich«, sie wird ihn später noch einige Male wiederholen. Alex (Helge Stefan Meyer) bekommt dann einen Hustenanfall, krümmt und windet sich. Bei ihm reicht es fast immer nur zu zynischen Bemerkungen und Wutausbrüchen. Einander mit Worten und Werken fertigzumachen ist daher der kleinste gemeinsame Nenner der beiden.

Alex schlägt mit der vollen Wucht des Sadismus zu, den er bei seinem erfolgsbesessenen Vater am eigenen Leibe erfahren hat. Die Show des Macho und Szenemenschen läßt unzweideutig den autoritären »Alten« durchscheinen, nur die Droge hat gewechselt. Was dem Vater der Hände Arbeit, ist dem Sohn das Kokain. Alex quält sich mit sich, seinen Zwängen und seiner Sucht herum, für die er sich prostituiert. Er weidet sich an der Qual, die ihm Monkeys scheinbare Selbstbestimmtheit bereitet. Monkey (Anja Kirchlechner) führt Alex vor, indem sie ihm unterstellt, die Realität nicht zu sehen. Sie argumentiert und schikaniert. Für sie steht fest, daß nicht sie an beider Fiasko schuld ist. Wenn Alex schreit, schickt sie eine leidenschaftslose Gemeinheit zurück. Manchmal scheint es ihr damit fast gut zu gehen.

Sprachlos, kannibalisch fallen die liebenden Kontrahenten übereinander her und dann wieder einander in die Arme. Sie sprechen nicht in Sätzen, sondern spucken Parolen, Sprechblasen mit Ausrufezeichen, aus. Passend dazu ist die Bühne mit Plakaten voller kämpferischer Zigarettenwerbung dekoriert. Gespannt und mitleidend blickt man als Zuschauer auf die Schlacht, obwohl das Woher und das Wohin bekannt sind. Distanz zu halten ist schwer. Zu direkt springt die inszenierte Alltagssprache erlebte Gefühle an, suggestiv wie ein 3-D-Film. Mühelos schaut man in die Figur einer Monkey oder eines Alex hinein: Sie ist ein alltäglicher Mensch, wie er einen morgens früh beim Zähneputzen aus dem Spiegel wieder anglotzt. Was bitte, läßt ihn rührend erscheinen, wenn er sich auf die Bühne verirrt?

Alex und Monkey gewinnen der Realität nur in ihren Ticks und im Rausch eine Perspektive ab. Außerhalb ist alles Comic, Film, Schnulze, Voodoo. Deshalb rückt er unausweichlich näher, der Moment, in dem sich die zwei »Helden ohne Sinn« zu einem Knäuel vereinen, um sich gemeinsam und gegenseitig zu entleiben. Man möchte es kaum glauben, sie röcheln dabei richtig. Es ist zwar peinlich, aber doch nicht so peinlich, wie man im ersten Moment befürchtet hat. Wenn man nach der Vorstellung zu Hause gefragt wird, wie es im Theater war, kann man antworten: »Nichts Neues. Eine gewöhnliche Liebesgeschichte.« Das ist wenigstens nicht gelogen. Konstantin Breyer

Heute und am 10. April um 19.30 Uhr im bat-Studiotheater, Belforter Straße 15, Prenzlauer Berg