Grüner Streit um Müllofen

■ Wird Biebesheim Sondermüll-Verbrennungszentrum?

Frankfurt/Main (taz) — Die innerhalb der Fraktion als „Dissidentin“ gehandelte hessische Landtagsabgeordnete der Grünen, Irene Soltwedel, war stocksauer: Ihr Vorschlag, mit einer sogenannten Paketlösung die durch den Bau des 3. Giftmüll- Verbrennungsofens im südhessischen Biebesheim ohnehin düpierte Basis der Partei in den weiteren Entscheidungsprozeß einzubinden, war gestern von allen anderen Fraktionsmitgliedern abgelehnt worden. Den Vorschlag, im betroffenen Landkreis Groß-Gerau die bereits seit Jahren existierenden zwei Giftmüllöfen in Biebesheim dann abzuschalten, wenn der dritte Ofen in Betrieb geht, wollte die Fraktion noch nicht einmal diskutieren. Soltwedel: „Grüne Konturen sind da nicht mehr erkennbar.“

Daß sich der Konflikt bei den Grünen beim sozialdemokratischen Koalitionspartner wiederspiegelt, macht die Sache für die programatisch auf einen Anti-Giftmüll-Verbrennungskurs eingeschworene Umweltpartei nicht weniger problematisch. Bei der SPD haben zwei Landtagsabgeordnete aus der Region Widerstand gegen die „Ofenbauer“ um Umweltminister Joschka Fischer signalisiert und den Vorschlag des Kreisvorstandes der Grünen für ein Abschalten der alten Öfen aufgegriffen. Doch so wie Soltwedel bei den Grünen, stehen auch die roten „Dissidenten“ im Abseits: Bei der SPD-Fraktion wird bereits offen darüber diskutiert, diesen dritten Giftmüllofen auch mit Sondermüll etwa aus Baden-Württemberg zu befeuern— bislang ein Tabuthema. Gegen die Absicht, die kleine Gemeinde Biebesheim zum Giftmüll-Verbrennungszentrum der Republik auszubauen, hat allerdings auch die Landtagsfraktion der Grünen gestern Stellung bezogen. Einstimmig verabschiedete die Fraktion einen Antragsentwurf von Horst Burghardt (MdL), wonach „nur Sondermüll aus Hessen“ in Biebesheim verbrannt werden dürfe.

In Biebesheim schwimmen den Grünen dennoch alle Felle davon, denn gegen eine von der SPD-Fraktion gewollte Festschreibung der Verbrennungskapazität auf 90.000 Jahrestonnen — bislang waren 60.000 Jahrestonnen im Gespräch — erhob sich bei der Landtagsfraktion der Grünen keine Proteststimme. Für die Arbeitsgemeinschaft Umweltschutz (AGU) in Biebesheim und den BUND-Riedstadt jedenfalls agieren Joschka Fischer und die Sozialdemokraten in Wiesbaden in „Strauß-Manier“. Mit Mahnwachen und einer Demonstration reagierten die Umweltschützer auf den „Wiesbadener Betrug am Ried“: „Aktion statt Resignation“. kpk