Von einem Sparwitz zum nächsten hangeln

■ Das Kabarett »Männermorphose« mit Gerhard Normann zeigt einen »progressiven Herrenabend« im Ratibor Theater

Im Wohnzimmer des Optikermeisters ist alles für das wöchentliche Treffen der Männergruppe »Mannhaft-Einzelhaft« hergerichtet. Hausherr Axel, mit flott geschwungener Designerbrille angetan, räumt den Einkauf auf den mit Lackfolie bedeckten Tisch, um die unwahrscheinliche Besetzung des progressiven Herrenabends vorzustellen: eine Flasche Meßwein für Pater Samuel, etwas französisches Weißbrot für Chansonnier Jean-Jacques und ein Tütchen Koks für den Journalisten Peter und seinen CDU-Freund Hans aus dem Bundestag.

Freilich wird keiner der Herren an diesem Abend wirklich bei dem Optikermeister auftauchen. Ähnlich wie Dinner for One muß sich der Protagonist des Einpersonenstücks ins Zeug legen, um die ausbleibenden Gäste selbst darzustellen.

Gerhard Normann, dem die Rolle des unsympathisch geschwätzigen Augendienstleisters perfekt steht, springt von Rolle zu Rolle durch ein Gruselkabinett von Feindbildern, die sich wie Karikaturen auf die Kunstfiguren des Fernsehens ausnehmen. »Jean-Jacques heißt eigentlich Willi Bombrowski«, doziert der Schauspieler, »hat zwölf Jahre unter Tage gearbeitet und auf einen Urlaub gespart. In Frankreich verliebte er sich bei der vormittäglichen Animationsgymnastik in Mona. Nach einem Crash-Kurs spielte er ihr einen Chanson vor, und bei der nächtlichen Gymnastik merkte er, daß Mona Deutsche ist.«

Die nachlässig gespielten Figuren wirken so klischeehaft, daß selbst die gutmütige Biertrinkerfraktion des dreißig Personen zählenden Premierenpublikums Mühe hat zu lachen. »Die Tussi da vom Bündnis 90 soll doch 'ne Frittenbude in Wismar aufmachen«, läßt Normann sich selbst im Bundestag tönen, und: »Aids ist die beste Entwicklungshilfemaßnahme für Schwarzafrika.«

In der frostigen Atmosphäre des überdies schlecht gespielten Stücks, das sich von einem Sparwitz zum nächsten hangelt, gibt es kein befreiendes Lachen aus der Erkenntnis heraus, die eigenen Vorurteile überzogen zu sehen.

Statt dessen wirbt der Schauspieler und Autor — kaum ironisch gebrochen — um Betroffenheit: »Jacques singt sozialkritische Schnulzen, und sein Publikum schunkelt. Er singt in Bierzelten über Vergewaltigung, während die männlichen Gäste ihre Frauen begrabbeln, und die Frauen schunkeln.« Zwischen zwei dramaturgischen Fehlern des Regisseurs Olaf Michael Ostertag beschimpft Normann die wenigen Gäste im Publikum: »Sie da hinten gucken so kritisch. Soll ich Ihnen die intelligente Brille leihen?«

Die Rassismen, die der Kleinkünstler auf die Bühne kotzt, wirken wie der Ausfluß der Selbsterfahrung eines verbiesterten Progressiven, der sich seiner imaginären Feinde zu entledigen sucht, indem er sie imitiert. Kabaretthaft ist bei Männermorphose allein die Unverfrorenheit, mit der Dilettant Normann Bühnenraum belegt, ohne das die Zuschauer ihr Geld zurückfordern.

Stefan Gerhard

Männermorphose von und mit Gerhard Normann wird noch bis zum 19. April von Donnerstag bis Sonntag jeweils um 21 Uhr im Ratibor Theater, Cuvry-Straße 20 (Kreuzberg), gespielt.