Alles wartet auf die Sphinx Mitterrand

■ In Frankreich brodelt die Gerüchteküche/ Den Grünen wurden Ministerposten angeboten

Paris (taz) — Frankreich hält den Atem an. Die Auguren tun kein Auge zu. Die kleinste Bewegung im Präsidialpalast nährt neue Gerüchte. Jede Autonummer wird notiert. Die Stoppuhren klicken, sobald ein neuer Gesprächspartner die Stufen emporsteigt. Cresson, Joxe, Jospin, Beregovoy, der Reigen nimmt kein Ende. Seit Montag konzentriert sich die Nation auf die Sphinx im Elysee. Denn dort spinnt Mitterrand die Fäden für die politische Zukunft des Landes. In dieser Zwischenzeit scheint alles möglich zu sein.

Treu seinem Ruf demonstriert Mitterrand größtmögliche Distanz von den Wirren der Aktualität. Man muß der Zeit Zeit lassen, soll er einmal gesagt haben. Die wichtige Woche begann er jedenfalls mit Golfspielen, am Dienstag eröffnete er eine Wikinger-Ausstellung. Was stört es ihn, wenn ein Parteifreund nervös vorprescht und den Regierungswechsel vorzeitig ankündigt? Francois Mitterrand läßt sich nicht aus der Ruhe bringen. Er sei „verzweifelt ruhig“, meint die Tageszeitung 'Le Monde‘.

Mitterrands neues Motto heißt: „Sucht mir junge Leute.“ Angeblich ist der Chef von SOS-Racisme, Harlem Desir, im Gespräch. Bisher bestätigen einzig die Grünen laut, daß ihnen Ministerposten angeboten wurden. Sie jedoch stellen fünf harte Bedingungen: Das Aus für den Schnellen Brüter „Superphönix“, ein Moratorium für die Atomversuche, ein weiteres Moratorium beim Autobahnbau, Einführung der 35-Stunden-Woche und einen „runden Tisch“ zur Debatte über die Wahlrechtsreform. Das sind harte Nüsse für jeden künftigen Regierungschef.

Vielleicht schwelgt der alternde Staatschef zwischen den Konsultationen auch ein bißchen in Erinnerungen. Vor neun Jahren hatten die Wähler der PS schon einmal eine scharfe Warnung verpaßt: Bei den Gemeinderatswahlen mußten die Sozialisten an die 30 große Städte an die Bürgerlichen abgeben. Wie jetzt Edith Cresson, so bot auch der damalige Premierminister Pierre Mauroy seinen Rücktritt an. Und Frankreich hielt den Atmen an und konzentrierte sich auf seinen Präsidenten.

Neun Tage lang konsultierte und kombinierte Mitterrand im März 1983. Im Gespräch waren Beregovoy und Delors — die beiden gelten auch heute als Favoriten. Doch Delors stellte hohe Bedingungen. So kam es, daß Mauroy seinen Demissionsbrief wieder einstecken durfte— der alte Premier verließ den Präsidialpalast als neuer Regierungschef.

Gestern mittag war auf einmal auch Edith Cresson wieder im Gespräch. Für Mitterrand galt es jedoch, zu vermeiden, daß die neue Regierung als Aprilscherz dasteht. Bettina Kaps