Türkische Gruppen gegen Bonner Politik

Berlin (taz) — Aus „größter Besorgnis“ haben gestern 800 türkische Vereine in Deutschland und dem europäischen Ausland ein „Manifest angesichts der Krise in den Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und der Türkei“ verabschiedet. Seit dem 21. März, dem Tag des kurdischen Neujahrsfestes „Newroz“, haben sich nach Ansicht der Unterzeichner die Mißverständnisse und Fehlinterpretationen gehäuft. Das Ergebnis sei eine „nahezu feindliche Reaktion“ Bonns, die gerade die rund 1,7 Millionen in Deutschland lebenden Türken erheblich belaste.

Eine Verurteilung der Türkei durch die EG, so wie die Bundesregierung sie anstrebe, sei „verfehlt“. Auch den von Bonn verhängten Rüstungsstopp kritisieren die Unterzeichner. Dadurch würden die „umfassenden Reformbemühungen“ der konservativ-sozialdemokratischen Regierung in Ankara geschwächt und die „chauvinistischen Kräfte auf türkischer und kurdischer Seite“, die einer friedlichen Lösung des „Kurdenproblems“ im Wege stünden, bestärkt.

Zur Wortführerin der Türken in der BRD, der stärksten Immigrantengruppe überhaupt, haben sich zahlreiche Gruppen türkischer Sozialdemokraten sowie Zusammenschlüsse von Ingenieuren, Journalisten, Akademikern und anderen Berufsgruppen gemacht. Aber auch Eltern- und Unternehmervereine haben das „Manifest“ mitgestaltet. In fünf Punkten mahnen sie alle ihrer Ansicht nach am Konflikt beteiligten Seiten zu Besonnenheit: Von der Bundesregierung fordern sie eine „Revision der Türkei-Politik“ und eine „entschlossenere Haltung gegen PKK-Aktivitäten in Deutschland“; von der türkischen Regierung erwarten sie, daß die „Demokratisierungspolitik“ fortgesetzt wird; die Medien sollen Pauschalisierungen à la „türkischer Staat versus Kurden“ vermeiden; die Kurden und Türken in der Türkei sollen friedlich miteinander umgehen, und die Kurden und Türken in der BRD schließlich sollen die „künstlich gezeugten Gräben“ nicht zulassen.

Auffallend ist, daß keine einzige der zahlreich in der BRD vertretenen „kurdischen“ Organisationen das „Manifest“ unterzeichnet hat. Auch linksstehende türkische Gruppen waren an der Aktion offensichtlich nicht beteiligt. So erklärte ein Sprecher des „Türkei-Informationsbüros“ in Hannover, das nach eigenem Verständnis „Solidaritätsarbeit mit der Türkei und Kurdistan“ macht, seine Organisation sei „von keiner Gruppe angesprochen worden“. Dorothea Hahn