Land Berlin stößt Wohnungen ab

■ Finanzsenator Pieroth will die letzten landeseigenen Wohnungen an die städtischen Wohnungsbaugesellschaften übertragen/ In den Bezirken regt sich heftiger Widerstand

Berlin. Der schwarz-rote Senat will die letzten landeseigenen Wohnungen loswerden. Auf Druck von Finanzsenator Elmar Pieroth (CDU) werden in einigen Bezirken derzeit Übertragungsverträge an städtische Wohnungsbaugesellschaften vorbereitet. Damit wurde das Vorhaben von Rot-Grün, die landeseigenen Häuser in ein kommunales Sondervermögen zu überführen, gestoppt und statt dessen ein Plan der alten CDU/FDP-Regierung wieder ausgegraben. Bereits im Jahr 1988 war der gesamte landeseigene Wohnungsbestand von Charlottenburg, Neukölln, Reinickendorf und Spandau abgestoßen worden. Die Finanzverwaltung begründet den Vorstoß mit der Einsparung von Verwaltungskosten.

In den betroffenen Bezirken regt sich jedoch heftiger Widerstand gegen das Senatsvorhaben. In einem Brief an die Fraktionen des Abgeordnetenhauses kritisierte Tempelhofs Finanzstadtrat Peter Tobisch (SPD) die Entscheidung Pieroths. Angesichts des guten Zustands der Häuser hätte sie »erhebliche Einnahmeverluste« für den Bezirk zur Folge. Tobisch beklagt vor allem, daß dem Bezirksamt mit der Übertragung das direkte Belegungsrecht verlorengeht. Aus diesen Gründen sträubt sich auch der Steglitzer Finanzstadtrat gegen die Pläne des Finanzsenators. Die Bezirke Zehlendorf und Kreuzberg haben sich bislang gänzlich den Verhandlungen verweigert.

Vorauseilenden Gehorsam trieb dagegen Schönebergs Finanzstadtrat Dieter Nippert. Der CDU-Politiker drängte darauf, daß schon am 6. April der gesamte Häuserkomplex Pallasstraße/Hohenstauffenstraße an die DEGEWO übertragen wird. Nach Einschätzung der AL-Fraktion läßt Nipperts Vertragsentwurf jedoch »vieles offen«. »Soziale und kulturelle Projekte wie der Pallasladen sind überhaupt nicht gesichert«, monierte die AL-Bezirksverordnete Sabine Ritter. Doch die Beratung eines Dringlichkeitsantrags von SPD und AL, den Vertrag sozialverträglich abzuändern, lehnte die CDU- Fraktion am Mittwoch ab.

Unter anderem aus der Furcht heraus, daß die Wohnungen weiterverkauft werden und die Mieten ins Unendliche steigen, meldete eine Bewohnerinitiative aus der Pallasstraße den Wunsch an, die landeseigenen Häuser mit Hilfe eines treuhändischen Sanierungsträger als Genossenschaft zu übernehmen. Bei den Wohnungsbaugesellschaften stößt diese Idee, anders als beim Finanzsenator, auf offene Ohren. Dem Vernehmen nach sind die Gesellschaften nicht unbedingt an den oftmals sanierungsbedürftigen Häusern interessiert. Die DEGEWO verlangte bereits Garantien vom Senat, daß die Instandsetzungskosten erstattet werden.

Ein Moratorium für die Übertragung der landeseigenen Wohnungen forderte unterdessen die Fraktion Bündnis 90/ Grüne im Abgeordnetenhaus. Die Verhandlungen sollen solange ausgesetzt werden, bis die Sanierung finanziell abgesichert ist und die Bedingungen zur möglichen Übergabe an Genossenschaften oder an treuhändische Sanierungsträger geklärt sind, verlangte die baupolitische Sprecherin Elisabeth Ziemer. Das Vorgehen des Senators nannte sie »grotesk« und »sozial unverantwortlich«. Micha Schulze