Devisen-Schlagbäume

■ Die versprochene Reisefreiheit findet auch im Osten ihre pekuniären Grenzen

In den Zügen aus Warschau nach Berlin, von Bukarest nach Budapest, von Budapest nach Wien, von Berlin nach Vilnius und Riga drängten sich die Menschen, stapelten sich Tüten, Taschen und Koffer. Schnaps und Babykleidung, Butter und fette Würste, Kaviar und allerlei Krimskrams wurden unter Kleidung und Mänteln vor den neugierigen Blicken der Zöllner versteckt: 1989, als sich der Eiserne Vorhang öffnete. Märkte blühten auf, Tausende polnische Ärmlinge handelten in Berlin mit gutsituierten Neugierigen und kauflustigen Türken. Reisen für die Osteuropäer: Das war große Hoffnung, vor allem aber die Erfüllung bescheidenen Konsums. Das war der Vorgeschmack des kommenden Manchesterkapitalismus, von Händlertum und Kleinmafia, von Ellbogengesellschaft und Raub an den Schwächsten.

Die Züge waren voll. Die Gesellschaften des Ostens waren im wahrsten Sinne des Wortes in Bewegung: von Ost nach West, und nach wie vor von Ost nach Ost. Für 80 Mark von China nach Budapest, für 8 Mark von Budapest nach Bukarest. Für Lei und Rubel, für Sloty und Kronen. Doch die Grenzen, die sich nach Westen öffneten, wurden im Osten befestigt. Ungarische Soldaten zogen an der rumänischen Grenze auf. Die jugoslawische Regierung verlangte an der Grenze von Rumänen Devisen in harter Währung, ehe sie den Schlagbaum öffnete.

Geld reguliert seither die Reisefreiheit im Osten mit Visagebühren in harter Währung. Die Bahnpreise steigen in schwindelnde Höhen, den Wirtschaftsreformer weisen die Defizite der Verkehrsmittel aus. Von Bukarest nach Budapest geht jetzt mehr als ein Monatslohn für eine Karte drauf.

Die Züge leeren sich. Die Schlangen vor den Schaltern der Bahnhöfe verschwinden. Schwärme von westlichen Touristen beginnen den Reiz der stehengebliebenen Gesellschaften, Städte und Landschaften zu entdecken. Für sie bleiben die Preise billig. Erich Rathfelder