Maria hilf!

■ Christliche Fundis rüsten in Bayern auf

Nürnberg (taz) — Kaum ruft der Papst zur erneuten Missionierung des Abendlandes auf, kaum rollen in dem von den beiden Amtskirchen ausgerufenen „Jahr mit der Bibel“ Bibelzüge und Bibelbusse durch das Land und tuckert ein Bibelschiff über den Bodensee, bekommen im weißblauen Bayern die fehlgeleiteten Schäflein verstärkt den Übereifer christlicher Fundamentalisten zu spüren.

So fordert jezt eine christliche Elterninitiative im mittlfränkischen Lehrberg, das Buch Die kleine Hexe aus dem Regal des örtlichen Kindergartens zu verbannen. Vor dreißig Jahren wurde das mittlerweile berühmte Kinderbuch von Otfried Preußler geschrieben, um den lieben Kleinen die Angst vor bösen Hexenmärchen zu nehmen. Jetzt sind böse Hexen wieder gefragt. Denn, so der Anführer der Initiative, der Berufsschullehrer Karl Lehr, vom christlichen Weltbild aus könne „eine Hexe nie etwas Gutes sein“. Durch derartige Machwerke würden gar Zauberei und okkulte Praktiken verharmlost.

Auch im 170 Kilometer entfernten Weiden in der Oberpfalz gibt es nichts als irregeleitete Jesukinder. Da hatte doch ein Sozialdemokrat — kein Wunder — zur Eröffnung der prachtvollen städtischen Max- Reger-Halle das Ensemble des Münchener Prinzregententheaters eingeladen. Die spielten die Pfarrhauskomödie, von Heinrich Lautensack 1911 geschrieben. Das schon in über 100 Städten gezeigte Stück handelt von der Liebe eines Pfarrers zu seiner Köchin. Welch ein Frevel, erzürnten 37 katholische Geistliche des Dekanats. Mit dem Stück über „Sex im Pfarrhaus“ werde ein ganzer „Berufsstand diffamiert und der Zölibat beleidigt“.

Ob es da etwas hilft, daß im oberbayerischen Miesbach die evangelische Kirchengemeinde ihren speziellen Beitrag zum laufenden Bibeljahr leisten will? Drei Tage und drei Nächte lang will ein harter Kern von 35 Gläubigen im Gemeindehaus des Ferienortes non-stop die 1.238 Seiten der lutherischen Bibel-Ausgabe laut vorlesen. Maria hilf! Bernd Siegler