Im Norden bekam der programmierte Jubel einen Dämpfer

■ Wie im Süden die „Republikaner“ konnten in Schleswig-Holstein die stramm Rechten von der „Deutschen Volksunion“ (DVU) die Fünf-Prozent-Hürde locker nehmen

„Mensch, wir müssen rauskriegen, wie der Spitzenkandidat der DVU heißt.“ Das war das Problem, das die Journaille gestern ab 18 Uhr in Kiel gänzlich unerwartet bewegte. Nach der Infas-Prognose geriet die neofaschistische „Deutsche Volksunion“ plötzlich in den Mittelpunkt des Interesses. Vorher hatten Wahlforscher wie Politiker im Norden diese Partei überhaupt nicht auf dem Zettel. Man wußte von den Rechten nichts — man wollte wohl auch nichts von ihnen wissen.

Aber nicht nur die erschreckende Stärke der DVU dämpfte den vorprogrammierten Jubel der sozialdemokratischen Fangemeinde in der Kantine des Landeshauses. Der große Favorit dieser Wahl, Björn Engholm, mußte bittere Verluste um etwa acht Prozent einstecken. Und das ist auch unter Berücksichtigung des Affären-Bonus der Wahlen von 1988 recht deftig, selbst wenn es noch knapp für eine SPD-Alleinregierung reicht. Aber nach den ersten Hochrechnungen gab es keinen Zweifel daran, daß der Lübecker Ministerpräsident des nördlichsten Bundeslandes bleibt. Auch nach dem bösen Ergebnis meinte der SPD-Bundestagsabgeordnete Gansel: „Daß die DVU nicht noch stärker geworden ist, haben wir einzig und allein Björn Engholm zu verdanken.“

Nach seinem Abschied als Parlamentarischer Staatssekretär im Bonner Verteidigungsministerium muß CDU-Herausforderer Hennig sich nun wohl auch von dem erträumten Posten als Oppositionsführer im Landtag verabschieden. Einer, dem es nicht gelang, die CDU auch nur nennenswert von ihrem Barschel- Einbruch vor vier Jahren zu reparieren, wird als Politiker im Norden nicht gebraucht. Es gilt als sicher, daß Barschel-Weggefährte Klaus Kribben Anspruch auf den Fraktionsvorsitz der Union in der nächsten Legislaturperiode erheben wird. Diese Funktion hat er auch derzeit inne. Die CDU war mit Hennig schlecht beraten. Ihm gelang es nie, auch nur annähernd als erstzunehmende Alternative anerkannt zu werden.

Ob nun drinnen oder knapp draußen, die Grünen erzielten das mit Abstand beste Ergebnis ihrer Landesgeschichte. Die großen MacherInnen diese Erfolges heißen Irene Fröhlich und Nico Sönnichsen. Die Spitzenkandidatin fuhr für ihre Partei massenhaft Sympathiepluspunkte ein, und der Landesvorstandsprecher machte die Nord-Grünen in fleißiger Hintergrundarbeit zu einem politikfähigen Realo-Landesverband. Das wurde erst möglich, weil die einst dominierenden Ökosozialisten die Partei vor fast genau zwei Jahren verließen. Für den Fall eines knappen Scheiterns gaben die Grünen schon mal die Parole aus: „Weitermachen, nächstes Mal einen noch besseren Wahlkampf hinlegen.“ Spitzenfrau Irene Fröhlich hatte schon früh eine Erklärung für das Erstarken der Rechten parat: der schlimme Wahlkampf der CDU (die in den letzten zehn Tagen ihre Plakate mit „Asylmißbrauch bekämpfen“ überklebte), der Verfall der politischen Kultur durch die Polarisierung auf zwei „Volksparteien“ und die zunehmende ökonomische Hoffnungslosigkeit der Menschen.

Der Alt-Landesvorsitzende der FDP, Uwe Ronneburger, freute sich über die Rückkehr seiner Partei in den Landtag und wiegelte zum DVU- Ergebnis ab. Es hätte schon früher im Kieler Landtag Rechtsaufsteiger wie die NPD gegeben, und mit denen sei man auch fertig geworden. Der deutsche Däne Karl-Otto Meyer kehrt in den Landtag zurück, sein „Südschleswigscher Wählerverband“ schaffte die notwendigen Stimmen locker. Der ehemalige Widerstandskämpfer muß nun in einem Plenarsaal mit Leuten Politik machen, die dem Faschismus nicht allzu ablehnend gegenüberstehen — so mit dem Spitzenkandidaten der DVU, der übrigens Ingo Starwitz heißt. Jürgen Oetting, Kiel