KOMMENTAR
: Gefährliche Experimente

■ Die Kommunalwahlen und die Rechtsradikalen

Nach Kiel und Stuttgart heißt die nächste Station Berlin. Die Wahlen in den dreiundzwanzig Bezirken der Stadt, die am 24. Mai anstehen, will »Republikaner«-Chef Schönhuber zur Stätte seines nächsten Erfolges machen. Das kündigte er noch am Wahlabend an, und in der Tat scheint es so, als könnte der Rattenfänger von Rosenheim guter Hoffnung sein. Die Umstände, die den Rechtsradikalen die Wähler zutreiben, die sind in Berlin auch zu finden — und das sogar in potenzierter Form.

Diffuse Sorgen und Abstiegsängste vieler Bürger, die sich in einer völlig veränderten Welt nicht mehr zurechtfinden und deshalb Sündenböcke suchen — das gibt es im kaum vereinigten Berlin vielleicht mehr als irgendwo sonst in Deutschland. CDU und SPD haben sich zu einer Großen Koalition des Mittelmaßes zusammengetan. Viel mehr als biedere Problemverwaltung bieten sie nicht. CDU und SPD wissen selbst, daß ihnen die Kommunalwahlen einen ernsthaften Denkzettel bescheren können: Wahlen dieses kleinen Kalibers verführen die Wähler, den Urnengang entweder ganz zu boykottieren oder mit ihrer Stimme zu experimentieren.

Die Lunte ist gelegt. Die Berliner CDU, in Sachen »Republikaner« ein gebranntes Kind, hat bisher darauf verzichtet, den Funken zu liefern und mit dem Asylthema im Wahlkampf zu zündeln. Die Wahlen in Kiel und Stuttgart haben überzeugend bewiesen, daß man tunlichst darauf verzichten sollte, Probleme hochzuspielen, die zu lösen man gar nicht in der Lage ist. Zu Recht rät Peter Radunski seinen Parteifreunden, diese weise Zurückhaltung nicht aufzugeben. Radunski gilt vielen als erfolgreichster Wahlkampfmanager Deutschlands. Mit ihm ist die CDU-Führung gut beraten.

Freilich muß nicht nur die CDU ihre Hitzköpfe bändigen. Vor gut drei Jahren waren es gerade die vermeintlich radikalen Linken, die mit militanten Aktionen und Großdemonstrationen auf die Kandidatur der »Republikaner« erst aufmerksam machten. Wäre es diesmal nicht einen Versuch wert, die Rechten zu ignorieren — und sich unterdessen um die Lösung der Probleme zu bemühen, die ihr Hochkommen erst verursachen? Hans-Martin Tillack