Iranisches Kampfflugzeug über Irak abgeschossen

■ Teheran läßt Stellung der oppositionellen Volksmudschaheddin nordöstlich von Bagdad bombardieren/ Irakische Führung spricht von Bruch des Waffenstillstandsabkommens und protestiert bei UNO und Arabischer Liga/ Erster iranischer Luftangriff auf irakisches Camp der Oppositionsgruppe

Teheran/Bagdad (afp/ap/taz) — Sowohl das irakische Militär als auch die iranische Oppositionsgruppe Volksmudschaheddin nehmen den Abschuß eines iranischen Kampfflugzeuges am Sonntag über irakischem Territorium für sich in Anspruch. Iranische Flugzeuge hatten zuvor ein Lager der Volksmudschaheddin 65 Kilometer nordöstlich von Bagdad bombardiert. Nach Angaben der iranischen Oppositionsgruppe wurden dabei ein Mitglied der Organisation getötet und zwölf weitere verletzt, fünf davon schwer.

Bei dem Angriff wurde ein iranisches Flugzeug des Typs F-14 abgeschossen und die beiden Insassen festgenommen. Nach Angaben der Volksmudschaheddin soll es sich dabei um den Oberkommandierenden des iranischen Luftwaffenstützpunktes in Hamedan, Oberst Ghassem Amini, sowie um den Navigator des Flugzeuges, Hauptmann Arsalan Scharifi, handeln. Die irakische Führung bezeichnete den Luftangriff als Verletzung des iranisch-irakischen Waffenstillstandsabkommens vom 20. August 1988. Das Abkommen beendete den achtjährigen Krieg zwischen den beiden Staaten, ein Friedensvertrag wurde allerdings bis heute nicht unterzeichnet. Laut Radio Bagdad protestierte der Irak bei UN-Generalsekretär Butros Ghali und der Arabischen Liga gegen den Angriff.

Die iranische Führung bezeichnete die Bombardierung als Vergeltung für Überfälle der Volksmudschaheddin auf zwei iranische Dörfer am Samstag und forderte Bagdad auf, jegliche Unterstützung für die iranische Oppositionsgruppe einzustellen. Die Volksmudschaheddin bestreiten die Angriffe auf iranische Dörfer. Bei dem Bombardement handelt es sich um den ersten iranischen Luftangriff auf ein Camp der Volksmudschaheddin im Irak. Nach Informationen der Oppositionsgruppe sollen iranische Kampfflieger am Sonntag insgesamt viermal bis zu 90 Kilometer auf irakisches Gebiet vorgedrungen sein und über dem Mudschaheddin-Stützpunkt Aschraf, in der Nähe der irakischen Stadt Khalis, Splitterbomben abgeworfen haben.

Die Volksmudschaheddin ließen sich 1986 im Irak nieder, nachdem sie zuvor in Paris ihre Zelte abbrechen mußten. Die iranische Oppositionsgruppe um ihren Führer Massoud Radschavi verfügt über mehrere Stützpunkte an der irakisch-iranischen Grenze sowie eine Zentrale in Bagdad. Während sie selbst behaupten, unabhängig von der irakischen Armee zu agieren und sich ausschließlich mit Beutewaffen auszurüsten, bezeichnen Kritiker die Volksmudschaheddin als „Söldner“ der irakischen Führung, die auch von dieser ausgerüstet würden. Von der irakischen Grenze aus unternahmen sie in den letzten Jahren immer wieder Vorstöße auf iranisches Gebiet. Schwierig wurde ihre Situation vor und während des letzten Golfkrieges. Nach der Invasion Kuwaits suchte die irakische Führung Unterstützung auch bei dem vormaligen Erzfeind Iran. Im Herbst 1990 wurde die iranische Botschaft in Bagdad wiedereröffnet. Damit hatten sowohl die Teheraner Regierung als auch die sie bekämpfenden Volksmudschaheddin Vertretungen in der irakischen Hauptstadt. Beide Seiten werfen sich seitdem Attentatsversuche und Spionage vor. taud

Iranische Botschaften in aller Welt besetzt

Bonn/Teheran (ap/afp) — Aus Protest gegen die Luftangriffe stürmten am Sonntag und gestern Anhänger der Volksmudschaheddin iranische Botschaften in Bonn, Den Haag, Stockholm, London, Ottawa, Oslo und Canberra sowie die diplomatische Vertretung Irans bei der UNO in New York. In Bonn wurden am Sonntag 30 Iraner festgenommen, nachdem sie die Botschaft Teherans zwei Stunden lang besetzt gehalten und teilweise verwüstet hatten. Auch das Hamburger Generalkonsulat Irans war am Sonntag von Volksmudschaheddin gestürmt worden, nachdem sie das Gebäude zuvor mit Steinen und Molotowcocktails beworfen hatten. Das Teheraner Außenministerium bestellte gestern mehrere Botschafter der betroffenen Staaten ein und verlangte die Auslieferung der Besetzer.