Notgemeinschaft gegen Rechtsaußen

■ In Baden-Württemberg verdichteten sich einen Tag nach der Wahl die Spekulationen über eine Große Koalition zwischen SPD und CDU. Am Sonntag abend war auch eine schwarz-grüne Koalition noch im Gespräch...

Notgemeinschaft gegen Rechtsaußen In Baden-Württemberg verdichteten sich einen Tag nach der Wahl die Spekulationen über eine Große Koalition zwischen SPD und CDU. Am Sonntag abend war auch eine schwarz-grüne Koalition noch im Gespräch. Im Norden will Engholm alleine weitermachen.

Eines war für den baden-würtembergischen Ministerpräsidenten Erwin Teufel am Wahlabend schon nach den ersten Hochrechnungen der Wahlergebisse klar, mit der „Schande für unser Land“, den „Republikanern“, die mit spektakulären 11,9 Prozent und fünfzehn Sitzen in das kommende Landesparlament einziehen, werde es keine Gemeinsamkeiten geben. Teufel, der wertkonservative Katholik, der seinen Amtsvorgänger Lothar Späth erst vor 14 Monaten im Amt abgelöst hatte, war an diesem Abend noch bleicher als sonst. Und das nicht nur wegen dem katastrophalen Absturz seiner eigenen Partei um fast zehn Punkte auf 39,6 Prozent, das miserabelste Wahlergebnis der CDU seit dreißig Jahren. Aufrichtig verstört schien Teufel aber vor allem über den Einzug der „Republikaner“ ins Stuttgarter Parlament, deren Erfolg die baden-württembergische Parteienlandschaft aufmischen wird wie seit zwanzig Jahren nicht mehr. Auch den Genossen war die Häme am Einbruch der CDU angesichts der eigenen Stimmverluste schnell vergangen. Schuldzuweisungen etwa, daß die Christdemokraten mit ihrem „Asylwahlkampf“ den Wahlerfolg der Reps erst möglich gemacht hätten, fielen erstaunlich moderat aus. Selbstkritik darüber, daß zahlreiche Probleme in der Wohnugsbaupolitik, im Asylstreit, den Ängsten sozial schwacher und alter Menschen eben nicht gelöst seien, war auch bei der SPD angesagt. Dringend notwendige Gemeinsamkeit wurde betont.

Derweilen hatten hinter den Kulissen längst hektische Spekulationen über eine künftige Regierungskoalition begonnen. Eine große Koalition — nach SPD-Insidern die einzige Chance für ein politisches Überleben des erfolglosen Dieter Spöri— könnte den „Republikanern“ bei den nächsten Wahlen noch mehr Protestwähler zuführen als bisher. Bei all der depressiven Verworrenheit, bei all dem Bedürfnis, sich erst einmal mit Parteifreunden zur Beratung zurückzuziehen, tingelte einer schon wieder redselig und gutgelaunt durch die Wandelgänge des Stuttgarter Landtags: Günther Oettinger, Fraktionsvorsitzender der CDU. Wie wär's, sprach er jeden Grünen an, laß uns zusammengehen! Die schwarz- grüne Option, so war Teufels Regierungssprecher zu hören, sei bereits am Abend vor der Wahl im trauten Kreise um den Ministerpräsidenten erwogen worden.

Doch Rezzo Schlauch, der bisherige, und Fritz Kuhn, der designierte Fraktionsvorsitzende der Grünen gaben sich wortkarg. Sicher, so hieß es, werde man nicht nur im eigenen Vorstand, sondern auch mit der CDU sprechen. Aber: Wir können nicht vor der Wahl sagen, die CDU sei korrupt und abgewirtschaftete, und lassen uns nach der Wahl auf Koalitionsverhandlungen ein, so Fritz Kuhn. Das zerreißt uns die Partei.

Realpolitker aus der zweiten Reihe der Grünen, die aus verständlichen Gründen noch nicht genannt werden wollen, sind da anderer Ansicht. Wir haben nicht zwölf Jahre Realpolitik in Badem-Württembverg gemacht, um eine solche Chance einfach auszuschließen, heißt es da. Und weshalb, bitte sehr, sollte eine Koalition mit der CDU für die Umsetzung grüner Politk ungünstiger sein als mit der SPD? Mühsam hatte man schließlich schon in den letzten Wochen vor der Wahl versucht, sich der Umarmung durch die Sozialdemokraten zu entziehen. Zu einem zentralen Streitpunkt zwischen Grünen und CDU, der Asylpolitik , hatte Teufel schließlich vor gut einem Jahr schon ganz andere Ansichten als jetzt im Wahlkampf geäußert. Annäherungen könnte es aber vor allem in Fragen der Abfall-, Verkehrs- und Energiepolitk geben.

Eine Zerreißprobe für ihre Partei sehen sie beim Zusammengehen mit der CDU gleichwohl. Wenn auch weniger in der künftigen Landtagsfraktion. Wir müßten, so die Spekulation der Koalitionsbefürworter, die Umweltverbände dieser Republik dazu bringen, im Sinne des realpolitischen Umweltschutzes keine weitere Zeit zu verlieren. Dann, so ihr Kalkül, würde sich dem selbst die Grüne Basis nicht mehr verschließen können. Dietrich Willier, Stuttgart