„Wir machen die Notfallversorgung“

■ Vielfach unbemerkt: 16 „Wartefrauen“ arbeiten in öffentlichen Bedürfnisanstalten in Bremen

„Hygiene spielt für die Leute nur eine Rolle, bis sie ihr Geschäft hinter sich haben“, erzählen die Klofrauen im öffentlichen WC am Brill. Und tatsächlich: Allein während des anderthalbstündigen Interviews im Aufenthaltsraum der Toilettenfrauen wäscht sich nur eine der zahlreichen Kundinnen vor Verlassen der Anlage die Hände. „Das ist einer der Gründe, warum wir das Geld vorher einsammeln“, erklärt Anne Barrabas, die Vorgesetzte der 16 Bremer „Wartefrauen“, die in den vier städtischen Bedürfnisanstalten Dienst tun.

50 Pfennige kostet die Klobenutzung in Bremen, Händewaschen gar nichts — außer, man will ein Papierhandtuch, dann sind nochmal zwei Groschen fällig. Oft müssen die Frauen hinter Kundinnen herlaufen, die sich ums Zahlen herumdrücken wollen. Was viele nicht wissen: „Was wir von den Kunden nicht kriegen, müssen wir aus unserer Tasche zahlen“, berichten die Frauen. Denn in Bremen sitzen statt der sonst oft üblichen Münzschlösser Zählwerke an jeder Klotür. Für jedes Mal Türe schließen, das so registriert wird, müssen die Wartefrauen 50 Pfennig abliefern. Das sind pro Monat etwa 20 bis 30 Mark.

Wartefrauen sind, wie die Reinemachefrauen, nicht Angestellte, sondern Lohnarbeiterinnen im Öffentlichen Dienst — eingruppiert in der untersten Lohngruppe. Ihr männlicher Kollege, der am Domshof zum Beispiel die Nachtschicht von 21 Uhr bis morgens vier besetzt, ist dagegen zwei Stufen höher eingestiegen, unabhängig von Wochenend

hier bitte

die gekachelte Pracht

Arbeitsplatz unter Tage: Klo am DomshofFoto: F.Heller

-und Feiertagszuschlägen, die die Frauen auch bekommen.

Sieben Stunden umfaßt eine Schicht am Stück. „Weggehen ist nicht drin. Wir müssen immer präsent sein.“ Ihre Pausen müssen die Frauen deshalb irgendwie

„dazwischenschieben“ - zwischen Nachspülen, Türklinke abwischen, Brille desinfizieren, Klopapier nachfüllen, Geld kassieren, Handtuch reichen, Kacheln schrubben und all den anderen Tätigkeiten und sozialen Diensten, die ihnen rund um die Uhr abverlangt werden. 24 Tage hintereinander, um dann sechs Tage frei zu haben.

In zwei der sogenannten „Vollanstalten“, wie sie im Behördenjargon heißen, arbeiten die Frauen unter Tage: Im WC im Brilltunnel und im Millionenklo des Bunkers am Domshof. Dort sind deshalb immer zwei Frauen pro Schicht eingeteilt. So fühlen sie sich ein wenig sicherer, besonders abends und an Sonn-und Feiertagen. „Seit einem Überfall auf unsren Nachtwächter haben wir zwar eine Alarmanlage. Aber im Ernstfall hört die niemand.“ Zwei Stunden lang summte das Signal im Brilltunnel letztens vor sich hin — bis die Verkäuferin einer Verkaufsbude reagierte.

„Die Leute nehmen uns überhaupt nicht wahr. Erst, wenn wir einmal nicht sofort da sind.“ Vierhundert Kunden pro Tag registrieren die Anstalten an Brill und Domshof jeweils. Ohne die Männer zu zählen, die die Pinkelbecken am „Stand“ benutzen — denn die sind gratis. Werden dafür aber um so ungenierter benutzt: „Die stören sich noch nicht mal, wenn wir morgens die Becken schrubben. Dann sagen die doch tatsächlich, 'Sie können ruhig weiterputzen'“, berichtet eine der Altgedienten.

Die Dienstleistung der Klofrauen wird als selbstverständlich vorausgesetzt: Auskünfte und Beratung aller Art (nach Sehenswürdigkeiten, bei Krankheiten, wenn die Oma Geschenke einkauft oder der Hund krank ist). Wenn die Hose geplatzt ist und Nadel und Faden gebraucht werden. Selbst die Apotheke hat Leute schon zu „denen da unten“ geschickt, wenn Hingefallene ein Pflaster wollten. Die Liste der Hilfeleistungen ist lang, die die Frauen aufzählen. „Wir sind Sozialarbeiter hier unten und immer parat“, sagt die Chefin der Frauen, Anne Barrabas, „oft müssen wir auch fliegen können.“ Doch bezahlt wird all dies natürlich nicht. Und selbst wenn die ÖTV heute abend die Urabstimmung zum Arbeitskampf beschließen würde - streiken dürfen die Klofrauen nicht: „Wir machen Notfallversorgung.“ Birgitt Rambalski