Grüne zu Gesprächen mit CDU bereit

In Stuttgart beginnt der Poker um die Koalition/ Die SPD geht „ohne Koalitionsabsichten“ in Gespräche mit der CDU/ Bei den Grünen will man es mit den Schwarzen probieren  ■ Aus Stuttgart Dietrich Willier

Die erste Nabelschau ist beendet, die schlimmsten Blessuren sind notdürftig verbunden. Die baden-württembergischen Altparteien, CDU, SPD, Grüne und Liberale, sind nach dem Wahlschock vom vergangenen Sonntag zu dem weit mühsameren Geschäft der Regierungsbildung für die kommende Legislaturperiode übergegangen. Eine Koalition muß gebildet werden und fest steht nur, daß das nicht ohne die CDU geht und eine Vereinigung nach Bonner Muster ebensowenig in Frage kommt.

Also was? Gestern gab es dazu erste Mirakel. Von der SPD-Fraktion unter Dieter Spöri ist zwar allgemein bekannt, daß sich einige ihrer Mitglieder für durchaus ministrabel halten und bereits in den Startlöchern auf dem Weg in die große Koalition hocken, zugeben wollen sie das aber nicht. In Gespräche mit der CDU, die für die kommenden zwei Tage vorgesehen sind, gehe man ohne Koalitionsabsichten, hieß es gestern bei den Genossen: Man habe der CDU kein Angebot gemacht, und man werde auch keines machen, so Dieter Spöri.

Die Genossen winken nicht nur beleidigt, sie sind es. Und was liegt da näher, statt sich um die eigenen „Handlungsblockaden“ zu kümmern, erst einmal den Beelzebub in der Undercover-Politik anderer zu suchen. Spitzenpolitiker der Grünen, lautet da etwa ein Gerücht, hätten, zwecks Regierungsbildung, bereits am Freitag vor der Landtagswahl Geheimverhandlungen mit hochrangigen CDU-Vertretern geführt. Bei den Grünen aber war man bereits am Wahlabend, neben der Freude über den Sieg, gleich zweimal erschrocken. Zum ersten natürlich über den brachialen Einzug der Republikaner, zum anderen aber über die schlichte Rechnung, daß neben einer großen Koalition nur die schwarz-grüne Option über eine regierungsfähige Mehrheit verfügte. Die Verführungsversuche einflußreicher Nachwuchs-CDUler um deren Fraktionsvorsitzenden Oettinger ließen denn auch nicht auf sich warten. Und Oettinger fand offene Ohren. Fünf Stunden dauerte das Gespräch im 40köpfigen Gremium von Grünen-Vorstand und Fraktion am Montag. Zahlreiche Glückwunschbriefe aber auch Forderungen waren bereits eingegangen. So forderte etwa der Verkehrsclub Deutschland eine grüne Regierungsbeteiligung und die Übernahme des Verkehrsministeriums, der baden-württembergische Bund für Umwelt und Naturschutz riet zu Verhandlungen, und die Bürgeraktion „Das bessere Müllkonzept“ offerierte gleich ein verhandlungsfähiges Müllentsorgungskonzept. Und so beschloß das bedrängte Gremium, ohne Gegenstimme, sich auf Gespräche mit der CDU einzulassen.

Die Grünen-Forderungen würden der CDU bei deren eigener Klientel das Genick brechen. Doch die Gefahr wird täglich geringer. [Aufatmen. d.sin] „90 Prozent unserer Mitglieder“, so ein Sprecher der Grünen, „würden eine Zusammenarbeit mit der CDU nicht nachvollziehen.“ „Auch wenn die alten (grünen) Hasen hier drin das gut machen würden, würde der Laden zerbrechen.“ So ist die grüne Optik auf weitere Opposition gerichtet, in der Hoffnung, die eigene Partei möge sich ändern und schon bei der nächsten Wahl ein noch bravouröseres Ergebnis einfahren.