„Wir ersparen unseren Kunden Millionen-Ausfälle“

■ Detektive im Wirtschafts-„Untergrund“: Die alltägliche Arbeit einer Auskunftei / Datenschützer skeptisch

„Sie dürfen sich das Ganze nicht wie im Detektivfilm vorstellen!“ Kein Tranchcoat, keine Lupe zur Spurensicherung, keine rasanten Verfolgungsjagden: Stephan Seitz ist gelernter Exportkaufmann, sieht aus wie ein ganz normaler Geschäftsmann, und ist Inhaber der „Wirtschafts-Auskunftei Bürgel“.

Nicht wie im Detektivfilm

Der Großteil der Aufträge, mit denen die Detektei in Sachen Wirtschaft zu tun hat, sind relativ unspektakulär: Da freut sich eine neu gegründete Schreinerei über einen Großauftrag, für den sie erhebliche Vorleistungen erbringen müßte. Um auf Nummer sicher zu gehen, erkundigt sie sich bei der Wirtschafts-Auskunftei über den Auftraggeber — und erfährt, daß der bereits mehrfach die Hand zum Offenbarungseid heben mußte. Die Schreinerei nimmt den Auftrag nicht an — wenig später macht besagte Firma pleite, die Gläubiger gehen leer aus — und die kleine Schreinerei ist am Rande des Ruins vorbeigeschrammt.

Mehr Sicherheit bei Geschäftskontakten verspricht das bundesweite Netz der „Bürgel“-Auskunfteien: Die Hauptaufgabe besteht in der Liquiditäts-Überprüfung mittelständischer Firmen. „Ich kann das gar nicht addieren, wieviele Millionen Mark wir unseren Kunden schon erspart haben“, sagt Seitz, selbständiger Inhaber der Bremer Niederlassung.

Die Anlässe, warum Firmen oder Geschäftspersonen Kunden einer Wirtschafts-Auskunftei werden, reichen von 5.000-Marks-Aufträgen bis zu Millionenkrediten. „Bürgel“ Bremen beschäftigt 15 MitarbeiterInnen; drei davon sind echte „Detektive“, hier Rechercheure genannt. Sie durchforsten das über die Firma vorhandene Datenmaterial — das bis vor vier Jahren in 3.000 dicken Aktenordnern lagerte, jetzt über Computer abrufbar ist. In den firmeneigenen Dateien sind Informationen über 120.000 Firmen und Einzelpersonen gespeichert.

Die Firmen haben ein Eigeninteresse

Zur Zeit arbeitet „Bürgel“ am Aufbau einer europaweiten On- line-Datei.

„Die meisten Daten sind offen oder auf Antrag zugänglich“, sagt Seitz: Einträge aus dem Handels- und Schuldnerregister oder vom Konkursgericht. Jede Firma, über die Informationen eingeholt werden, wird davon in Kenntnis gesetzt: „Die fragen wir zum Beispiel nach Referenzen, und ob wir uns bei ihren Lieferanten über Zahlungen erkundigen dürfen.“

In den meisten Fällen dürfen sie: „Die Firmen haben ja selbst ein Interesse an Offenlegung“, so Seitz. Deshalb senden die Unter

Kombinieren ist out, Computer ist inFoto: Katja Heddinga

nehmen — von der Zwei-Mann- Firma bis zum Großkonzern — „Bürgel“ oft freiwillig das bestgehütete Geschäftsgeheimnis zu: Ihre Jahresbilanz. Grundsätzlich ist die Auskunftei vor Falschaussagen aber nicht gefeit.

„Klar kommt es vor, daß eine Firma keine Auskunft geben will - oder versucht, uns Mist zu erzäh

hier bitte den PC einkleben

len“, meint der Auskunftei-Chef, „aber da kommen wir hinter.“ Die drei Rechercheure machen ihren Job schon seit vielen Jahren — „da kriegt man einfach ein feeling dafür, wenn was nicht stimmt.“ Wenn zum Beispiel plötzlich die Ehefrau als Geschäftsinhaberin geführt wird — aber der Mann bereits drei Firmen „plattgemacht“ hat und die „Leute über den Tisch ziehen will.“ In den Beurteilungen, die Bürgel aufstellen, steht nur Belegbares — „doch wenn wir ein schlechtes Gefühl haben, stimmt auch in 90 Prozent der Fälle was nicht.“

Der Datenschützer ist skeptisch

„Bürgel“ gibt es in Bremen schon seit 1902 — der dreißigjährige Stephan Seitz führt das Unternehmen bereits in der dritten Generation. „Eine Falschauskunft hat es hier noch nie gegeben“ berichtet er stolz. Das Datenschutzgesetz steckt für die Arbeit einen engen Rahmen: Wer Auskünfte haben will, muß ein „berechtigtes Interesse“ nachweisen. Das ist zum Beispiel ein schriftliches Vertraggs-Angebot. Der Datenschutzbeauftragte überprüft das stichprobenweise.

Der betrachtet das Gewerbe eher skeptisch. „Gravierende Mißbrauchsfälle gibt es in diesen Auskunfteien nicht“, sagt Sven Holst, kommissarischer Datenschutzbeauftragter im Land Bremen, „aber oft sind die Auskünfte nicht komplett“ — was allerdings nicht „aus böser Absicht“ geschehe. Auch einige Bremer Banken arbeiten mit den Wirtschafts- Auskunfteien zusammen — aber nur ergänzend zu ihren eigenen Informationen. „Das Ganze ist generell aus datenschutzrechtlichen Gründen skeptisch zu betrachten“, findet der DatenschützerWenn Mißbrauch getrieben wird, haften sowohl die Auskunftei als auch der unberechtigte Auftraggeber.

Die MitarbeiterInnen unterschreiben mit ihrem Arbeitsvertrag die Klausel, bis an ihr Lebensende Schweigen zu bewahren. Diskretion ist überhaupt oberstes Gebot: Ein Blick in die Arbeitsräume ist nicht erlaubt. „Da müßte ich erst alle Schreibtische aufräumen.“ Kundenverkehr wird im Büro auch nicht gewünscht — alles läuft schriftlich oder per Telefon.

Die Angebotspalette reicht von einer schriftlichen Normalauskunft, die nach ein paar Tagen zugeht, über die telefonische Sofortauskunft bis hin zu Eilauskünften (innerhalb 24 Stunden) und Blitzauskünften (innerhalb drei Stunden). Informationen sind über so ziemlich jede Firma in der ganzen Welt zu haben: Egal ob in den Niederlanden, Brasilien, oder Wanne-Eickel. „Bei einer Anfrage über eine Einzelperson in Kroatien — da mußten wir allerdings neulich mal passen.“ Eine Auskunft kostet zwischen 35 und 40 Mark — Eil- und Blitzauskünfte das doppelte bzw. dreifache. „Trotzdem nutzen uns nur etwa 20 Prozent derer, die eine Wirtschafts-Auskunftei bräuchten“, glaubt Seitz.

Bei

„Bürgel“ Bremen gehen pro Jahr immerhin etwa 30.000 Auskünfte über den Tisch — und es gibt mit den Firmen „Schimmelpfeng“ und „Kredit-Reform“ in Bremen noch zwei Konkurrenten.

Susanne Kaiser