Jenseits der Playlists

■ Der irische Songwriter Gavin Friday kommt ins Quartier

Was macht jemand (heute) für Musik, der im Alter von 17 Jahren, zur Blüte des Punkrock, mit den Virgin Prunes schon eine kleine Legende war? Der jahrelang seine Ängste und Sehnsüchte auf alle erdenklichen Weisen in der Öffentlichkeit ausgelebt hat? Zunächst einmal gar keine mehr. Dann fängt er vielleicht, wie Don Van Vliet alias Captain Beefheart, zu malen an. Dazu braucht man keine Band zu unterhalten, keine stressigen Tourneen zu bestreiten und überhaupt: dieses ständige Lärmen macht nur taub.

Während der Captain allerdings immer noch vor der Leinwand sitzt, ist Gavin Friday zu seiner alten Leidenschaft, dem Singen, zurückgekehrt. 1989 und 1991 hat er zwei Solo-Langspielplatten veröffentlicht, jeweils mit der Unterstützung hochkarätiger Musiker wie Marc Ribot (Lounge Lizards) oder Fernando Saunders (Lou-Reed-Band)

Die zeitweilige Abstinenz hat auch Vorteile: Der Freund anspruchsvoller Musik jenseits der Radio-Playlists hat mit Gavin Friday jemanden vor sich, der seine ganz wilden Zeiten schon hinter sich hat, sich dem Plattenmachen mit der Souveränität des weiser gewordenen Halbstarken widmet. Deshalb läßt man dem melancholischen Friday auch einige Sentimentalitäten durchgehen. Der Mann weiß, wovon er singt. Außerdem kann man sicher sein, daß er sein Schwelgen in den wahren Dingen des Daseins (Liebe und Tod natürlich) immer wieder ironisch bricht. Auch wenn manchmal Streicher säuseln, ein paar Takte später läßt jemand gemein seine Gitarre jaulen; oder es drischt einer kurz, aber vehement auf sein Drumkit ein.

Die gesamte Musikerschaft webt mannschaftsdienlich mit am strapazierten Soundteppich Fridayscher Lebenserfahrungen, als wären es ihre eigenen. In immer überraschenden Variationen erzählt der Meister vor diesem Hintergrund mit heiserer Stimme von seinen Höllentrips. Literarische Anleihen sind dabei natürlich unvermeidlich. Die Fortgeschrittenen seiner Zuhörer, denen Lou Reed zu betroffen, Tom Waits zu verschroben [Tom Waits verschroben? Ist doch wohl Geschmackssache, oder! d. säzzer] und Nick Cave zu biblisch geworden sind, werden es zu schätzen wissen. Thomas A. Vierich

Am 9. April um 20 Uhr im Quartier Latin, Potsdamer Straße, Schöneberg. Als Vorgruppe sind zu hören und zu sehen: The Big No No. [Yes, Yes, the typsetter]