„Kommen hierher und halten die Hand auf“

Im Itzehoer Wellenkamp stimmten bei der Schleswig-Holstein-Wahl 18 Prozent für Rechts und gegen Ausländer  ■ Aus Itzehoe Bascha Mika

Die Sonne scheint den Gerechten und den weniger Gerechten. Beim Wellenkamp gibt sie sich heute besondere Mühe. Im Viertel am Stadtrand von Itzehoe wärmt sie die adretten Backsteinhäuser und die Rosenbüsche in aufgehäufelter Erde. Sie bestrahlt auch die dreistöckigen Mietblocks und rechteckigen Rasenflächen in einer der langen Seitenstraßen. Doch spätestens hier am Luchsberg, in den Hausfluren mit den verschrammten Eingangstüren, in den zweizimmrigen Wohnungen, versickert ihre Leuchtkraft.

„Natürlich hab ich die DVU gewählt.“ Der Mann, der das sagt, steht mit seinem Fahrrad vor der Haustür und redet mit zwei Nachbarinnen. Als er die DVU erwähnt, scheinen die Frauen nur noch Augen für ihre herumrennenden Kinder zu haben. „Jetzt kriegen die Politiker endlich Feuer unter'm Arsch“, fährt der arbeitslose Kranführer fort. „So geht das nicht weiter. Überall nur Ausländer. Wenn ich auf den Busbahnhof in Itzehoe gehe, komm ich mir vor wie'n Gast im eigenen Land.“ Da mischt sich doch eine der Mütter ein, hebt kaum den Blick und murrt mit der Stimme der ewig vom Leben Gebeutelten: „Milliarden kosten die uns. Weg müssen die.“

Der Wellenkamp ist verrufen. Wer im schleswig-holsteinischen Itzehoe von diesem Stadtviertel mit seinen 7.000 Einwohnern spricht, rümpft die Nase und sagt: „Ja, dort...“ Dabei meint er nicht die Wahlergebnisse vom Sonntag, die der DVU und den „Republikanern“ 18 Prozent Wählerstimmen beschert haben.

Er meint eigentlich auch nur eine Straße: den Luchsberg mit seinen Arbeitslosen und sozial Schwachen, die hier noch erschwingliche Wohnungen finden, die Randale, die sich Skins und Autonome häufig liefern. „Die Polizei ist überdurchschnittlich häufig im Wellenkamp“, berichtet Kriminalrat Jochen Schmidt-Urbach. Aber eine Erklärung für das Wahlverhalten, meint er, sei das noch nicht. Auch der Kollege vom Ordnungsamt, zeigt sich ratlos. „Da wohnt nicht der Schrott der Stadt, wie oft behauptet wird,“ regt er sich auf. „Da wohnen viele in netten kleinen Häusern mit gepflegten Gärten.“

Zwischen diesen propperen Backsteinhäusern im Wellenkamp liegt die Metzgerei. Die Metzgersfrau schneidet gerade Schinken: „Ja klar weiß ich, warum hier die DVU gewählt wurde.“ Ihre Stimme wird lauter. „Diese Scheiß-Kakerlaken kommen hierher und halten nur die Hand auf. Meine Eltern mußten sich auch alles schwer erarbeiten.“ „Jetzt müssen sich die Politiker was überlegen“, sagt eine Alte und packt den Schinken in ihre Tasche. „Das wird ja bei der nächsten Wahl wieder anders“, beschwichtigt eine andere Kundin, und die Alte hebt erschrocken die Hände. „Um Gottes Willen, wiederkommen wie früher dürfen die nicht. Das wäre ja schrecklich. Bloß jetzt muß mal was passieren mit den Asylanten.“ „Man kann ja abends nicht mehr zum Imbiß gehen“, fährt die Metzgersfrau dazwischen und ihr Gesicht ist rot vor Wut, „ohne überfallen oder vergewaltigt zu werden.“

„Das ist maßlos überzogen“, ärgert sich Kriminalrat Schmidt-Urbach in seinem Büro. Im Gegenteil gebe es im Kreis Steinburg — zu dem Itzehoe gehört — nur 6.000 Straftaten pro 100.000 Einwohner. Der Landesdurchschnitt liegt in Schleswig-Holstein bei 9.000. Und Ausländer seien, wenn man die Verstöße gegen das Ausländerrecht abrechne, nicht häufiger kriminell als Deutsche. Doch selbst bei seinen Polizeikollegen macht sich Schmidt-Urbach mit solchen Feststellungen nicht beliebt.

„Man kann wirklich nicht sagen, daß die Ausländer in Itzehoe die Bewohner drangsalieren und terrorisieren“, sagt Jörg Abromeit. Er leitet die zentrale Anlaufstelle für Asylbewerber in Schleswig-Holstein. Sie liegt in Oelixdorf, außerhalb der Stadt und ist in der Regel mit 180 Flüchtlingen belegt. Probleme wie in Norderstedt, wo Asylsuchende monatelang eine Kirche besetzt hielten, gebe es nicht, berichtet der Beamte zufrieden. Geplant ist in Itzehoe noch ein Sammellager in der Hanseatenkaserne, das 400 Menschen aufnehmen soll. Schon jetzt gibt es jede Menge Unmut darüber. Die Flüchltinge werden einziehen, wenn sich die Parteien auf eine Änderung des Asylverfahrens geeinigt haben.

Bis in die Innenstadt von Itzehoe mit seinen 32.000 Einwohnern kommen nur wenige der Asylsuchenden. Im Straßenbild sind sie nicht zu entdecken. In den Wellenkamp, ans entgegengesetzte Ende der Stadt, verirrt sich von Oelixdorf niemand. „Wir haben hier doch gar keine Asylanten“, weiß Georg Jankowski. Der ehemalige SPD-Kommunalpolitiker wohnt seit Jahren in dem alten Arbeiterviertel, das seiner Tradition längst untreu geworden ist und heute auch Wohnraum für Angestellte, Handwerker und Gewerbetreibende bietet. „Ständig leben in Itzehoe sowieso nur zwei bis drei Prozent Ausländer.“ Wer rechtsradikal gewählt hat, tat das seiner Meinung nach nur aus Protest. Ob die Parteien nun DVU oder anders hießen, wäre völlig egal. „Die DVU hat hier noch nicht einmal Wahlveranstaltungen gemacht“, erzählt er. „Nur Postwurfsendungen gab es.“

„Was die von der DVU wollen, weiß ich nicht so genau“, meint der arbeitslose Kranführer achselzuckend — genau wie all die anderen „Privilegierten“ und „Unterprivilegierten“ im Wellenkamp. „Nur das mit den Ausländern finde ich gut.“ Doch so ganz geheuer ist ihm sein eigener Protest mit dem Stimmzettel auch nicht: „Daß die so viel gekriegt haben... Das darf auf keinen Fall mehr werden.“