Die Maus und der Igel

■ Zur morgigen Eröffnung von Eurodisneyland

Die Maus und der Igel Zur morgigen Eröffnung von Eurodisneyland

Warum entzieht sich nur das Schöne so unerbittlich der Welt? Warum gelingt es der audio-visuellen Häßlichkeit überall und immer wieder, neues Terrain zu besetzen? Weil das einfach Gegebene uns nicht mehr würdig erscheint, Erstaunen oder Dankbarkeit in uns zu erwecken. Weil wir der Realität die Bilder vorziehen. Weil die Welt aufgehört hat, interessant zu sein. Weil nur noch unsere Macht, und sie allein, uns verzaubern kann. Und deswegen bestaunen wir sie mit großen Kinderaugen.

Wir werden nach Eurodisneyland gehen, werden einen Urwald betrachten, die Bisons und Riesen-Sequoias. Und um die Bilder aus dem Fernsehen „in echt“ zu sehen. Darin besteht die eigentliche Amerikanisierung: nicht in der Kolonialisierung der französischen durch die amerikanische Kultur, sondern in der Kolonialisierung des Seins durch den Bildschirm. Und durch das Kappen der letzten Bindungen, die uns noch mit der Natur verbinden.

Die entfesselte Gewalt des Tourismus wird jetzt zerstören, was von der Landschaft im Osten Paris' noch geblieben ist. Und alle Welt ist zufrieden. Mit Ausnahme der Igel, der Felder und Bäume. Aber wen kümmert schon ein Igel? Die Tierwelt in Eurodisneyland ist so viel amüsanter. Alain Finkielkraut

Pariser Kulturkritiker und Essayist, der über Fragen der Ethik, der Liebe, des Judentums geschrieben hat. Auf deutsch erschien zuletzt „Die Niederlage des Denkens“.