„Wir haben noch immer Angst“

Im südafrikanischen Pietersburg hatte die Mehrheit der Weißen gegen die Abschaffung der Apartheid gestimmt/ Nach dem Referendum fürchten die Schwarzen die Wut der Ultrarechten  ■ Aus Pietersburg Hans Brandt

Pietersburg ist besorgt um sein Image. Neun Wahlregionen gab es im südafrikanischen Referendum Mitte März. Nur in der Region Pietersburg lehnten die Weißen mehrheitlich den Reformprozeß ab: 56,8 Prozent votierten „Nein“.

„Das schafft einen falschen Eindruck“, beteuert Danie Botha, Regionalsekretär der Nationalen Partei (NP), die die Stadtverwaltung von Pietersburg kontrolliert. Der Wahlbezirk habe die gesamte nördliche Transvaal-Provinz umfaßt, also den Geburtsort der ultrarechten Konservativen Partei (CP). „Die Stadt selbst muß man ausschließen, diese Stadt ist auf keinen Fall konservativ.“

Parteimaschine zwischen Fahne und Gebet

Um das zu betonen, wird die Stadtverwaltung in den nächsten Wochen mit einer Medienkampagne ihr „progressives“ Image verbreiten. Das mag Pietersburg nützen, die Stadt womöglich vor Protesten der schwarzen Bevölkerung bewahren. Aber das Referendum hat das alte Bild der nördlichen Transvaal-Provinz bestätigt. Hier wurden schwarze Schulkinder auf einem sonntäglichen Ausflug im Stadtpark von weißen Männern zusammengeschlagen. Hier wurde ein des Diebstahls verdächtigter schwarzer Junge von einem weißen Farmer an einen Tisch geschweißt und gefoltert. Hier wagen sich Schwarze nachts noch immer nicht in die „weißen“ Städte. Hier haben auch monatelange Boykotte weißer Geschäfte durch schwarze Käufer erzkonservative Ortsverwaltungen nicht nachgiebiger gemacht.

Botha ist ein hemdsärmeliger Parteiarbeiter, Faxgerät auf dem Schreibtisch, Fotos von Präsident Frederick De Klerk an der Wand, zwischen südafrikanischer Fahne und dem täglich im Parlament aufgesagten Gebet, in dem um Gottes Schutz für Land und Volk gebeten wird. Wenn im Wahlkampf von der einschüchternden „Parteimaschine“ der NP die Rede ist, dann sind damit Leute wie Botha gemeint. „Die wichtigsten CP-Leute haben hier ihre Wahlkreise“, erklärt Botha. CP- Führer Andries Treurnicht gehört selbst dazu. „Vor diesem Hintergrund haben wir in dem Referendum gut abgeschnitten.“

Um seine Zuversicht zu untermauern, stellt Botha Berechnungen an, die aus einem NP-Mund trotz aller Reformen noch immer überraschen. „Sechs Millionen Menschen gibt es in der Region“, sagt er, und meint Schwarze und Weiße. „Da sind die 45.000, die Nein gestimmt haben, verschwindend wenig.“ Außerdem, so glaubt er, seien nur die Hälfte der konservativen Wähler wirklich „harte Rechte“, also vielleicht 20.000.

Botha betont, daß er schon Kontakte mit Vertretern der Schwarzen aufgenommen habe. Am einfachsten geht das wohl mit den fünf in der Region gelegenen Homelands der Schwarzen. Aber auch den Afrikanischen Nationalkongreß (ANC) kennt Botha: „Der ANC hat ein Büro hier. Ich habe schon mit ihnen gesprochen. Das sind keine Extremisten.“

Bothas Gegenspieler im ANC- Büro in Pietersburg reagiert mit unverhohlenem Zynismus. „Die NP hat keine andere Wahl, als den Kontakt herzustellen“, sagt Norman Mashabane, stellvertretender ANC- Generalsekretär der Region. Immerhin sprechen De Klerk und ANC- Präsident Nelson Mandela fast täglich miteinander.

Mashabane ist gesprächsbereit. Aber er erwartet davon wenig. Mashabane hat Kommunisten und Führer der ANC-Armee an der Wand: Chris Hani, Stabschef der ANC-Armee und Generalsekretär der südafrikanischen Kommunistischen Partei, daneben Fidel Castro; Nelson Mandela in Uniform am Gründungstag der ANC-Armee. Das militante Image überrascht nicht. In dieser von der CP kontrollierten Region verspricht nur eins Erfolg: „Da helfen nur Massenaktionen.“ Aus Protest gegen das Referendum-Ergebnis ist wieder ein Konsumentenboykott im Gespräch. „Wir erwarten noch einiges von den Ultrarechten“, sagt Mashabane. „Sie sind wütend, weil sie das Referendum verloren haben.“

Militärische Ausbildung der Ultrarechten

Die größten Sorgen macht Mashabane sich um die neonazistische Afrikaaner Widerstandsbewegung (AWB). „Es gibt Gegenden, wo die AWB den Schwarzen regelrecht den Krieg erklärt hat“, meint er. Da werden Schwarze regelmäßig von Weißen angegriffen, ihre Autos angezündet, ihre Rinder verstümmelt. Jedes Wochenende hält die AWB militärische Ausbildungslager für ihre „Wenkommandos“ (Gewinnerkommandos) ab. Hinzu kommen Mashabane zufolge noch aus Bürgerkriegen in Namibia und Mosambik berüchtigte Sondereinheiten des südafrikanischen Militärs. „Es hat keinen Sinn, gegen die AWB Anklage zu erheben“, sagt er. „Die Polizei verfolgt sie nie. Viele Polizisten sind AWB-Mitglieder.“

„Ja“, bestätigt Seth Nthai, Direktor der „Rechtsanwälte für Menschenrechte“ in der Region, „es gibt Fälle, wo die Polizei sehr zurückhaltend ist.“ Die meisten Angriffe gegen Schwarze fänden nachts statt. „Dann haben die Opfer Schwierigkeiten, die Angreifer zu identifizieren. Und nach dem Referendum befürchten die Menschen, daß solche Angriffe zunehmen werden.“

„Gewalt ist zur Zeit kein Ausweg, den wir erwägen“, meint beschwichtigend Piet Niemand, stellvertretender CP-Vorsitzender in Pietersburg. Aber er betont, daß der „ungerechte Kampf“ um Stimmen im Referendum „die Leute bitter gemacht hat“. „Wir werden mit unserer Politik eines Volksstaates für Weiße weitermachen“, sagt Niemand. Die Weißen würden schnell merken, daß die CP-Politik richtig sei. Aber die CP müsse sich auch andere Widerstandsformen überlegen. Gemeint sind Steuerboykotte oder Streiks weißer Arbeiter. „Es ist sehr wahrscheinlich, daß wir solche Aktionen starten müssen.“

Niemand ist ein Farmer und Geschäftsmann, der sich, wie viele Ultrarechten, seiner ausgezeichneten Beziehungen zu Schwarzen rühmt: „Sie geben mir auf offener Straße die Hand.“ Aber Schwarze in dieser Region wissen nur von täglichem Rassismus zu berichten. In einem Vorort von Potgietersrus, 50 Kilometer südlich von Pietersburg, herrscht die weiße südafrikanische Idylle. Da harkt vor einem Haus der schwarze Gärtner die ersten Herbstblätter zusammen, während gegenüber die schwarze Hausangestellte die Autoeinfahrt fegt. „Als Schwarzer darfst du nie an die Haustür eines weißen Hauses gehen, du wirst immer an die Hintertür geschickt“, erzählt Ephraim Kekana. „Und wenn du nicht aufpaßt, setzen sie den Hund auf dich an.“

Selbst ein schwarzer Taxifahrer, als Kleinunternehmer von keinem weißen Boß abhängig, spricht von der täglichen Belästigung durch rassistische weiße Verkehrsbehörden. Er berichtet von einem schwarzen Autofahrer, der von Weißen von der Straße gedrängt und zusammengeschlagen wurde. Seinen Namen will er nicht nennen. „Wir haben noch immer Angst“, sagt er. „Schwarze und Weiße friedlich zusammenleben? Das wird es hier nie geben.“