Der Rechtsstaat in Uniform

■ Solidaritätskundgebung für die Polizei auf dem Marktplatz / Täter oder Opfer?

Kundgebung auf dem Marktplatz: Die Polizei und ihr Volk Fotos: Falk Heller

„Ihr Freund und Helfer braucht dieses Mal Ihre Hilfe“, hatte die Bremer Polizeigewerkschaft (GdP) für Samstag zu einer Solidaritätskundgebung aufgerufen. Denn in einer „beispiellosen Diffamierungskampagne“ würden „autonome und linke Randgruppen“ den Rechtsstaat herausforden. Deren Vorwurf: Polizisten des 3. Reviers würden Verdächtige, besonders Schwarzafrikaner, prügeln und mißhandeln.

Gut 400 Kollegen, selbst von der Wasserschutzpolizei und aus Bremerhaven und Niedersachsen, waren am Samstag größtenteils in Uniform erschienen. Einige trugen ihre Kinder demonstrativ auf dem Arm, an den Windschutzscheiben der Streifen-und Mannschaftswagen klemmten rosa Rosen. Und BürgerInnen kamen in Scharen. Auch sie überreichten Blumen, hefteten als Zeichen ihrer Solidarität die Gewerkschafts-Buttons („Gut, daß es sie gibt“) ans Revers.

Dankbar machte Hans Schulz, der GdP-Vorsitzende und einzige Redner der Kundgebung, in den vordersten Reihen der Menschenmenge den Bürgerschaftspräsidenten „und alten Freund der Polizei“ (Schulz), Dr. Dieter Klink, aus. Mit dabei: SPD-Fraktionschef Claus Dittbrenner, von der CDU Ulrike Schreiber, Elisabeth Motschmann und Jens Eckhoff. Sie alle band Hans Schulz ein in sein lautstarkes „Bekenntnis zum Rechtsstaat“.

Den Marktplatz, das „Herz unserer Stadt“, habe die Polizeigewerkschaft zum Demonstrationsort gewählt, „weil dieses Herz krank ist“ und dringend einer „Therapie“ bedürfe.

Der langjährige SPD-Genosse Hans Schulz griff in seiner Rede selbst nur in die Diffamierungskiste: Ein „sogenanntes Anti-Ras

hier das Foto

mit den Menschen

und der

Glasspiegelung

sismus-Büro“ rede dem rechtsfreien Raum und dem „Ausbau des organisierten Drogenhandels“ das Wort. Schulz forderte den Generalstaatsanwalt auf, endlich ein Sonderdezernat einzurichten, um „dieser Szene mit ihrer beispiellosen Hetzkampagne das Handwerk zu legen“ (laute Bravo-Rufe).

Das „schmächtige Knäblein“, dessen komplizierte Knochenbrüche die Rechtsanwältin Barbara Kopp als besonders gravierende Folgen einer Festnahme beschrieben hatte — auch für Schulz dient es als Beweis: „Hier die Realität“, sagt er. „Es handelt sich um ein Kind, daß bereits professionell von Dealern zum Drogenhandel erzogen wurde und heftigen Widerstand leistete.“

Nächster Fall: Der Flüchtling aus Gambia, der nach Schlägen durchdrehte, in der Psychiatrie landete und darauf bestand, nach Afrika zurückgeschickt zu werden. Hämisch applaudiert die Menge, als von den „völligen Vertrauensverlusten“ die Rede ist, die ihm Ärzte bescheinigt haben. Schulz: „Herr Rechtsanwalt Leineweber, nehmen Sie zur Kenntnis, daß die Bürger und die Polizei schon lange über Vertrauensverluste gegenüber ihrer nahen Umwelt zu klagen haben.“ (Applaus).

Schulz zitiert die Grünen, Afrikaner könnten sich im Steintor nicht mehr frei bewegen — die Menge quittiert's mit Lachen. Schulz: „Ich frage die Grünen, wer gewährleistet die Bewegungsfreiheit unserer Bürger?“ Darum sollten die Grünen sich kümmern, statt „Täter zu Opfern zu machen.“

Einigen Gewerkschaftern wird all das zuviel. „Sind wir hier auf einer REP-Veranstaltung“, fragt sich der IG-Metaller Konrad

Siess.

Zusammen mit einer Kollegin stellt er den DGB-Chef Siegfried Schmidt zur Rede: „Wir hätten erwartet, daß die Polizeige werkschaft die Aufklärung der Vorwürfe fordert, daß sie sich mit dem Thema Rassismus auseinandersetzt. Stattdessen werden alle, die dies fordern, diffamiert.“ Schmidt zuckt die Schultern. Die Kundgebung als solche finde er „gut“. Immerhin: Er verspricht eine „Nachbereitung“.

Auf welchen Boden die Schulz- Rede fiel, machen die heftigen Diskussionen deutlich, die am Rande entbrennen: „Gott sei dank ist das deutsche Volk noch gesund und nur Minderheiten krank“, sagt einer. „Es muß getrennt bleiben, was nicht zusammengehört“ und: „Sollen sich die Intellektuellen in ihren großen Wohnungen doch einen Asylbewerber ans Bein binden“ — Volkesstimme ließ ihren Gefühlen freien Lauf.

Rufe wie „Arbeitslager“, „Alle verhaften“, „Aufhängen“ richteten sich gegen eine Gruppe von Gegendemonstranten, die mit ironischen Armbinden „Unordnung“ am Rande standen und die Polizei-Kundgebung mit Trillerpfeifen und Zwischenrufen begleiteten. Birgitt Rambalski